Gefährliche Trauer
Percival die Affäre geglaubt hat.«
»Oder jemand, an den wir bis jetzt noch gar nicht gedacht haben?« fügte Evan mit einem bitteren, freudlosen kleinen Grinsen hinzu. »Was Miss Latterly wohl von dem Ganzen hält?«
Monk wurde an einer Antwort gehindert, da in diesem Augenblick Harolds Kopf im Türrahmen erschien. Er war blaß, in seinen blauen Augen stand Angst.
»Mr. Philipps läßt fragen, ob alles in Ordnung ist, Sir?«
»Jaja, vielen Dank. Sagen Sie Mr. Phillips bitte, wir wären bislang noch zu keinem Schluß gekommen, und würden Sie dann Miss Latterly zu uns schicken?«
»Die Schwester, Sir? Fühlen Sie sich nicht wohl, Sir? Oder haben Sie etwa vor…« Seine Stimme verlor sich im Nichts; offenbar war seine Einbildungskraft seinen guten Manieren vorausgeeilt.
Monk lächelte säuerlich. »Keine Angst, niemand wird durch meine Worte in Ohnmacht fallen. Ich möchte sie lediglich nach ihrer Meinung in einer bestimmten Angelegenheit fragen. Würden Sie sie bitte hierher schicken?«
»Ja, Sir. Ich… sehr wohl, Sir.« Damit zog Harold sich hastig zurück, froh, einer Situation entkommen zu sein, der er sich nicht gewachsen fühlte.
»Sir Basil wird das nicht gefallen«, stellte Evan nüchtern fest.
»Wahrscheinlich«, pflichtete Monk ihm bei. »Genausowenig wie dem Rest der Hausbewohner. Sie scheinen alle ganz versessen darauf zu sein, daß der arme Percival endlich hinter Schloß und Riegel kommt. Damit wäre das Ganze erledigt, und uns wäre man ein für allemal los.«
»Und wer sich am meisten ärgern wird«, Evan schnitt ein Gesicht, »ist Runcorn.«
»Allerdings«, sagte Monk genüßlich und nicht ohne eine gewisse Befriedigung. »Das wird er. Und wie!«
Evan setzte sich auf die nächstbeste Lehne - die zu einem von Mrs. Willis' erlesensten Stühlen gehörte - und ließ die Beine baumeln. »Ich frage mich, ob die Tatsache, daß Sie Percival nicht verhaftet haben, dazu führt, daß jemand drastischere Maßnahmen ergreift.«
Monk stieß ein übertrieben entsetztes Ächzen aus. »Was für eine angenehme Vorstellung!«
Es klopfte an die Tür. Evan machte auf und ließ eine verwirrte neugierige Hester herein.
Evan machte die Tür sorgfältig zu und lehnte sich dagegen. Monk gab ihr eine knappe Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse, die auch seinen und Evans Eindruck enthielt.
»Es war jemand von der Familie«, sagte sie ruhig.
»Warum denken Sie das?«
Sie hob leicht die Schultern und runzelte die Stirn. »Lady Moidore hat vor etwas Angst, und zwar vor nichts, das bereits geschehen ist, sondern vor etwas, das noch kommen könnte. Die Festnahme eines Lakaien würde sie nicht belasten; es wäre eher eine Erleichterung.« Ihr Blick war sehr direkt. »Sie würden endlich verschwinden, Öffentlichkeit und Presse würden wieder Ruhe geben, man könnte versuchen, zu einem normalen Leben zurückzukehren, brauchte sich nicht mehr gegenseitig zu verdächtigen und dabei so tun, als ob man es nicht täte.«
»Myles Kellard?« fragte Monk.
»Wenn, dann in einem Anfall von Panik. Er kommt mir nicht wie jemand vor, der die Nerven hat, einen Mord kaltblütig zu vertuschen. Ich meine, das Messer und das Neglige zu behalten und in Percivals Zimmer zu verstecken. Falls er es wirklich getan hat, wird er von jemandem gedeckt - von Araminta vielleicht. Das würde auch erklären, warum er sich vor ihr fürchtet, und ich glaube, er hat wirklich Angst.«
»Und Lady Moidore weiß Bescheid - oder hat zumindest den Verdacht?«
»Zum Beispiel.«
»Oder Araminta brachte ihre Schwester um, als sie sie und ihren Mann in flagranti ertappte?« ließ sich Evan aus dem Hintergrund vernehmen. »Das wäre durchaus möglich. Sie mußte nachts mal wohin, kam an dem Zimmer vorbei, erwischte die beiden zusammen, ging mit dem Messer auf ihre Schwester los und gab ihrem Mann die Schuld an dem Ganzen.«
Monk betrachtete ihn respektvoll. Evan hatte etwas in Worte gefaßt, das ihm bislang nicht einmal in den Sinn gekommen war. »Absolut möglich«, sagte er laut. »Weitaus wahrscheinlicher, als daß Percival sich zu ihr geschlichen hat, zurückgewiesen wurde und sie daraufhin umbrachte. Er würde kaum mit einem Tranchiermesser unter dem Arm zu seiner Angebeteten gehen, wenn er sie verführen will, und sie hätte sich andersherum keins unter ihr Kissen gelegt, es sei denn, sie hätte ihn erwartet.« Er lehnte bequem an einem von Mrs. Willis Stühlen. »Und wenn sie tatsächlich mit seinem Erscheinen gerechnet hat, hätte es bessere
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