Gefaehrliches Verlangen
behalten. Die meisten Menschen verstehen nicht, wie es ist, wenn einem ein Teil von einem für immer fehlt.«
»Das ist eine sehr treffende Umschreibung. Empfindest du es auch so?«
»Ja.«
Ich drücke ihn noch fester an mich.
»Aber jetzt habe ich ja dich, deshalb fehlt mir nichts mehr.«
❧ 32
N ormalerweise gibt es zu Weihnachten Bier oder auch eine Flasche billigen Portwein, deshalb ist es ein seltsames Gefühl, all die teuren Sherry- und Champagnerflaschen in der Küche stehen zu haben. Am Ende beschließe ich, eine Flasche Dom Pérignon zu köpfen. Schließlich möchte ich den beiden neuen Gästen einen würdigen Empfang bereiten.
Da wir keine Champagnergläser im Haus haben, gieße ich ihn in Rotweingläser, die noch von meinen Großeltern stammen.
»So, hier kommen die Getränke«, verkünde ich und trete ins Wohnzimmer, wobei mir auffällt, dass Dad sich inzwischen neben Denise aufs Sofa gesetzt hat.
»Wunderbar. Genau das Richtige.« Denise nimmt ein Glas und tätschelt mir den Arm.
»Bitte entschuldige, Sophia, es tut mir wahnsinnig leid, aber ich darf keinen Alkohol trinken. Das ist eine Bedingung meiner Therapie«, sagt Annabel.
Ich nehme ihr das Glas aus der Hand. » O Gott, natürlich. Wie dumm von mir. Aber dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen, Annabel. Was habe ich mir bloß dabei gedacht?«
»Wir haben auch frisch gepressten Orangensaft. Oder Tee«, wirft Dad ein.
»Tee wäre schön.«
»Ich hole ihn schon.« Mittlerweile scheint Dads düstere Stimmung verflogen zu sein. Vielleicht haben wir ja Glück, und er besinnt sich und gibt uns doch noch seinen Segen.
Ich setze mich auf seinen Platz.
»Ich freue mich ja so, dass Marc euch beide eingeladen hat«, sage ich zu den beiden Frauen. »Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk überhaupt.«
Denise lächelt. »Die Freude ist ganz meinerseits, Sophia. Ehrlich. Ich war regelrecht schockiert, als Marc plötzlich mit dieser Einladung ankam. Normalerweise nimmt er Weihnachten überhaupt nicht zur Kenntnis, und ich habe es längst aufgegeben, ihn zu überreden, über die Feiertage irgendetwas anderes zu tun, als zu arbeiten. Was haben Sie mit ihm angestellt?«
»Dieses Verdienst würde ich mir gern ans Revers heften, doch ich habe rein gar nichts getan.«
»Aber es liegt bestimmt an deinem Einfluss«, wirft Annabel ein. »Ich habe meinen Bruder noch nie so verliebt erlebt. Bevor du aufgetaucht bist, dachte ich, er geht niemals eine feste Bindung ein.«
Denise nickt. »Wer hätte gedacht, dass jemand in der Lage ist, die hohen Schutzwälle von Marc Blackwell einzureißen?«
»Ja, wer hätte das gedacht?«, bestätigt Annabel. »Aber genau das ist Sophia offensichtlich gelungen.«
Dad kommt mit einem Tee für Annabel, und ich rutsche auf den Boden, um ihm Platz zu machen.
»Alter vor Schönheit«, bemerke ich, was er mit einer zärtlichen Kopfnuss quittiert.
»Wie läuft es in der Klinik?«, frage ich Annabel, als mir das dünne Plastikband um ihr Handgelenk auffällt.
»Am Anfang war es die Hölle, aber allmählich geht es aufwärts. Immer schön ein Tag nach dem anderen. Es muss sein, das ist mir klar. Deshalb halte ich auch durch. Schließlich habe ich einen guten Grund, für den es sich zu kämpfen lohnt.«
»Gibt es Neuigkeiten von deinem Sohn? Wegen des Sorgerechts?«
»Könnte sein. Im Augenblick werden die Unterlagen geprüft. Wenn ich es diesmal schaffe, die Entziehungskur nicht hinzuschmeißen, und mich von meinen alten Freunden fernhalte, gibt es eine Chance, dass Danny wieder bei mir leben darf.«
❧ 33
A ls ich den Tisch decke, tritt Marc hinter mich und schlingt mir die Arme um die Taille.
»Komm, ich helfe dir.«
»Hast du etwa auch kellnern gelernt?« Ich lege ein Weihnachtsknallbonbon zwischen die Serviette und das Messer. Unser Esstisch ist ziemlich klein, aber sehr gemütlich.
»Nein. Was das angeht, könnte ich etwas Nachhilfe gut gebrauchen.« Er kneift mich spielerisch in die Taille. Unwillkürlich entfährt mir ein leiser Schrei.
»Und wie fandest du die zweite Überraschung?«
Mit dem Besteck in der Hand drehe ich mich zu ihm um. »Du weißt genau, wie schön ich sie finde. Ich bin ganz begeistert. Ich glaube, für Denise kam die Einladung ziemlich überraschend, weil du dir aus Weihnachten ja eigentlich nichts machst.«
»Das stimmt. Ich brauche schon einen guten Grund, um Weihnachten zu feiern.« Er lässt mein Haar durch seine Finger gleiten und betrachtet konzentriert die
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