Gefaehrliches Verlangen
Morgen hat mich eine Sozialarbeiterin angerufen.«
»Und ist die Adoption bereits vollzogen?«
»Nein, noch nicht, aber bald.«
Ich stehe auf und ziehe sie auf die Füße. » Zur Adoption freigegeben werden ist nicht dasselbe wie bereits adoptiert worden sein . Wenn du weinend hier draußen sitzt, ist keinem geholfen. Wir gehen jetzt zurück ins Haus und sehen, was wir in Erfahrung bringen.«
»Aber es hat doch sowieso keinen Zweck.« Annabel hat Mühe, im Matsch Halt zu finden.
»Annabel, du bist seine Mutter. Du darfst nicht aufgeben, sondern musst weiter hoffen. Aufgeben ist keine Lösung, niemals. Daniel braucht dich. Du musst stark sein. Komm, lass uns reingehen.«
❧ 65
I ch bringe Annabel in ihr Zimmer und sorge dafür, dass sie sich trockene Sachen anzieht, während ich meinen pitschnassen Mantel über dem Heizkörper aufhänge. Meine Jeans sind ebenfalls tropfnass und kleben mir an den Beinen.
»Du musst dir auch etwas Trockenes anziehen«, sagt Annabel, als ich ihr in ihren Morgenmantel helfe, und reicht mir einen grünen Krankenhausschlafanzug mit Tunnelzug.
Beim Umziehen fällt mir auf, dass ich ein bisschen erhitzt und zittrig bin. O nein, ich darf jetzt auf keinen Fall krank werden. Ich habe doch heute Abend Vorstellung. Und morgen auch. Und übermorgen. Es sind noch knapp zwei Wochen bis zum Ende der Show.
»Hast du die Nummer der Sozialarbeiterin, mit der du heute Morgen gesprochen hast?«, frage ich und versuche, das beginnende Hämmern in meinem Kopf zu ignorieren.
»Ja.« Annabel zieht einen Klinik-Notizblock heran, auf dem ein Name und eine Telefonnummer notiert sind. »Sie heißt Mandy Reynolds und hat gesagt, ich soll mich bei ihr melden, sobald ich einen festen Wohnsitz habe. Vielleicht könnten wir dann eine Besuchsregelung vereinbaren, sofern die neuen Eltern einverstanden sind.«
»Soll ich sie anrufen? Aber du wirst trotzdem noch einmal mit ihr reden müssen, damit sie weiß, dass du mir die Erlaubnis erteilt hast, mich um deine Angelegenheiten zu kümmern.«
»Natürlich.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Daniel so einfach zur Adoption freigegeben werden kann, solange du immer noch bereit bist, das Sorgerecht zu übernehmen. Es sei denn, die Bestimmungen haben sich seit der Zeit geändert, als mein Dad damals die Entscheidung über mich treffen musste. Aber selbst wenn, wird es sicherlich nicht von heute auf morgen passieren, und du hast immer noch die Möglichkeit, vor Gericht zu gehen und Widerspruch einzulegen.«
»Glaubst du?«
»Ja.« Ich wähle die Nummer.
»Mandy Reynolds«, meldet sich eine nasale Stimme.
Ich räuspere mich. »Oh, hallo, guten Morgen. Hier spricht Sophia Rose. Ich bin eine enge Freundin von Annabel Blackwell. Sie sitzt gerade neben mir und hat mir die Erlaubnis gegeben, mich um ihre Angelegenheiten zu kümmern – möchten Sie, dass sie es Ihnen bestätigt?«
»Wenn sie neben Ihnen sitzt, ist es in Ordnung.«
Hm. Eigentlich sollte sie doch überprüfen, ob es stimmt, was ich sage, schließlich könnte ich irgendwer sein.
»Sie rufen wegen Daniel an, vermute ich.«
»Ja. Annabel macht sich große Sorgen, dass Sie ihn demnächst zur Adoption freigeben.«
»In Anbetracht von Miss Blackwells derzeitiger Lebenssituation ist das der nächste logische Schritt, ja.«
»Aber sie bekommt doch jetzt Unterstützung«, erkläre ich. »Ihr Bruder und ich werden uns sowohl um sie als auch um Daniel kümmern.«
»Ah, ihr Bruder. Der berühmte Marc Blackwell. Ja, ich habe alles über ihn gelesen. Hört sich so an, als hätte er selbst ein Problem mit einem Kind. Das würde ich kaum als günstigen Einfluss bezeichnen.«
»Wie können Sie sich anhand eines Zeitungsartikels ein Urteil erlauben? Die Reporter erfinden doch ständig irgendwelche Schauermärchen. Jedenfalls kann Daniel nicht ohne Weiteres zur Adoption freigegeben werden, soweit ich informiert bin. Dafür müsste Annabel erst offiziell auf das Sorgerecht verzichten, oder es muss ihr von Amts wegen entzogen worden sein. Was ebenfalls nicht der Fall ist, soweit ich weiß.«
»Aber sie hat ihn unserer Obhut übergeben …«
»Das ist nicht dasselbe wie ein endgültiger Verzicht auf das Sorgerecht, sondern nur eine vorübergehende Maßnahme.«
»Ich wusste nicht … soweit ich informiert bin, hat Miss Blackwell tatsächlich auf das Sorgerecht verzichtet.« Ich höre Papierrascheln.
»Hat sie ein P12-Formular unterschrieben?« Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass Annabel nicht
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