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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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dem entsprechen würde, was nötig war.
    Der große Platz war taghell erleuchtet, über ihren Köpfen funkelten die Sterne und hinter ihnen auf der Oberfläche des Sees glänzte der Widerschein von Laternen. Die Rebellen standen barfuß auf dem Gras, und es gelang ihnen irgendwie, die Stiele der kleinen, anmutig wirkenden Blumen, die hier und da auf der Wiese sprossen, nicht zu zertreten. Musik wehte durch die Luft, eine himmlische Musik, die Lyannen zunächst gar nicht als solche wahrnahm, so ätherisch klang sie. Aber dann merkte er, dass es die Feen waren, die sangen und ihre Instrumente spielten. Ihre zarten Stimmen erfüllten den Wald und brachten alles zum Klingen: die Erde, den See, die Luft und sogar die Blätter der Bäume. Unter dem Sternenhimmel bewegten sich die Feen in funkelnden verschlungenen Reigen zum Takt der Musik. Andere Feen schwebten auf sie zu, um sie zu begrüßen und ihnen wieder Blumenkränze um den Hals zu legen, und zogen sie mit sich zu ihren Tänzen. Auch Lyannen tanzte mit ihnen, ab und zu begegnete
sein Blick denen der Freunde und dann lächelten alle.Ventel erhob lächelnd sein Glas, um mit ihm anzustoßen, Validen hielt lächelnd seine Hand beim Tanzen. Auch Drymn lächelte, nachdem er lange den Widerschein der Lichter auf der ruhigen Oberfläche des Sees bewundert hatte. Und tief in Lyannens Innerem lächelte selbst Eileen in seiner Erinnerung. Er würde mit ihr in diese traumhafte Atmosphäre von Feenquell zurückkehren, eines Tages. Und dann würde alles wirklich vollkommen sein.
    Dann verstummte die Musik, man hörte allmählich auf zu tanzen, die Stimmen verklangen und alle schienen auf etwas zu warten. Plötzlich verstand Lyannen, worauf: Die Königin der Feen kam aus dem Dunkel des Waldes hervor. Lyannen hatte nicht geglaubt, sie noch einmal zu sehen, aber nun - bei ihrer zweiten Begegnung - fand er sie noch schöner. Ihre Flügel schillerten in allen Farben des Regenbogens, und in ihrem Lächeln lag das Wissen der Welt, die Antwort auf alle Fragen. Zu ihrer Rechten flog Krystal, zu ihrer Linken Nana. Sie schwebten auf ihn zu und die Königin legte Lyannen ein kleines weißes Stoffbündel in die Hände. Lyannen nahm es schweigend entgegen und wickelte es aus: Er hielt eine einzige goldene Ähre in den Händen, ein Symbol für alle Vorräte, die die Feen in dieser Zeit für sie zusammengetragen hatten und die sie ihnen nun am Tag ihres Aufbruchs übergeben würden. Lyannen nickte in stummer Dankbarkeit und fiel vor der Königin auf die Knie. Die anderen Rebellen folgten seinem Beispiel. So verharrten sie einige Augenblicke, während die Sterne am Firmament über ihnen ihre Bahnen zogen.
    Dann erhob sich Lyannen und sah direkt in die funkelnden rätselhaften Augen der Feenkönigin. Sie lächelte ihn an. Zum zweiten Mal, wie bereits während ihrer ersten Begegnung.
    »Jetzt könnt ihr wirklich aufbrechen«, sagte sie, und ihre Stimme klang sanft. »Zieht los und wendet euren Blick nicht zurück, höchstens in dem Gedanken, dass jemand auf eure Rückkehr wartet. Geht.«

    Lyannen sah sie noch einen Augenblick an und sie nickte ihm zu. Dann deutete er eine letzte Verneigung an und wandte sich ab. Mit ihm machten sich die Rebellen auf den Weg, der sie weit weg führen würde, fort vom Frieden, fort von der hellen ewigen Nacht im Sternenglanz und hin zu der Schwärze der dunkelsten Finsternis.
     
    Es war hart für sie, Feenquell zu verlassen. Von nun an gab es keine sichere Zuflucht mehr und auch keine befreundeten Völker. Sie mussten jeden Moment mit einem Hinterhalt rechnen und die feindliche Front rückte immer näher. Sie würden jetzt nach Nordwesten reisen, wo die heftigsten Kämpfe tobten, und dabei versuchen, möglichst unbemerkt zu bleiben. Doch zuerst hatten sie das Reich der Wälder zu durchqueren und dann lag zwischen ihnen und der Front noch die Ödnis. Das würde nicht gerade ein Spaziergang werden. Lyannen begann, die Tage zu verfluchen, an denen er sich so übermütig danach gesehnt hatte, in den Krieg zu ziehen.Warum hörten die Götter nur auf ihn, wenn er unbesonnene Wünsche aussprach? Und warum hatte er nicht vom Frieden, sondern vom Krieg geträumt?
    »Schnell, Lyannen, komm«, rief Validen, der an der Spitze der Schar schon den Rand des Feenwaldes erreicht hatte. Von hier an standen die Bäume dichter und wirkten dunkel und bedrohlich. »Da meine Cousine noch am Leben ist, sollten wir uns beeilen, damit wir sie so schnell wie möglich befreien

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