Gefährten - im Wettlauf gegen die Finsternis (German Edition)
ganz dicht an sie heran und sah ihr
dabei direkt in die Augen. Verwirrt schüttelte sie den Kopf, als hätte sie ihn gerade
erst wieder bemerkt und wäre mit den Gedanken ganz woanders gewesen.
„Wir sollten
nicht hier sein“, antwortete sie ebenso leise. Warum nur war sie die ganze Zeit
mit ihren Gedanken so weit weg gewesen, fragte sie sich. Sie hätte es bemerken
können, nein, sie hätte es bemerken müssen! Wenn sie sich auf die Gegenwart
konzentriert hätte. Wie oft würde ihr das noch passieren? Die Vergangenheit
konnte man nicht ändern, langsam sollte sie das begreifen. Doch so weit weg war
sie doch gar nicht gewesen…
„Es gibt Geschichten,
die sich immer in den schwärzesten Nächten in unserem Dorf erzählt wurden. Es
heißt, Teile des Waldes sind verflucht. Vor langer Zeit soll die schwarze
Königin durch diesen Wald geritten sein, auf der Suche nach dem All-heilenden
Kraut. Sie hat es nie gefunden. Aus Wut darüber, dass der Wald ihr dieses
kleine Geheimnis nicht preisgab, entfesselte sie einen Bann, der jeden Baum in
einem riesigen Umfeld niederbrannte. Die Bäume wuchsen nach, viel schneller als
sie es sollten, doch sie gehörten fortan nicht mehr zum Rest des Waldes, denn
durch den Fluch der Königin hatten sie alle etwas mitgenommen, was keiner von
ihnen besitzen sollte. Ein Stück ihrer unendlich schwarzen Seele. Seitdem heißt
es sei das Stück Wald dunkel, die Blätter schwarz und die Rinde wie Kohle…“ Abermals
schauderte sie. James konnte es ihr angesichts dieser Geschichte kaum
verdenken. Einen Moment lang wusste er nicht wie er reagieren sollte, doch dann
gab er seinem ersten Impuls nach und nahm das Mädchen in den Arm. Für ein paar
Sekunden dachte er, er müsse dafür mit dem Leben bezahlen, doch Svenja bewegte
sich nicht. Ihre Augen spiegelten immer noch ihre Angst wieder.
„Es ist nur
eine Geschichte“, sagte James ganz leise mit warmer Stimme zu ihr, doch sie
schüttelte den Kopf.
„Ist an
Geschichten nicht immer etwas Wahres dran?“
Ein Schnauben
ertönte, doch es kam nicht von den Pferden die hinter ihnen unruhig auf der
Stelle stampften.
„James“, sagte
Alex, „lass dich von diesem Unfug doch nicht beeinflussen. Wer weiß was sie
schon wieder im Schilde führt.“ Stirnrunzelnd ließ James die Arme sinken und
drehte sich zu seinem Freund um. Alex stand mit verschränkten Armen da und
beobachtete das Schauspiel abwertend.
„Sie dich um“,
fuhr er fort. „Siehst du hier schwarze Blätter? Nein! Sie sind silbergrün wie
im ganzen Rest des Waldes. Siehst du verkohlte Baumstämme? Nein! Die Borke ist
Braun wie überall. Also lass den Unfug!“, James musste zugeben, dass Alex recht
hatte. Doch bevor dieser nach seinem Satz auch nur Luft geholt hatte brauste
Svenja auf. Ihre Augen leuchteten wütend und verdrängten die Angst als sie
kampflustig einen Schritt auf den einen Kopf Größeren zuging.
„Das ist kein
Unsinn!“, fauchte sie.
„Fast alle bäuerlichen
Lagerfeuergeschichten sind erfunden!“
„Das ist nicht
wahr! Nur weil wir Bauern sind und keine hochgestellten Herrschaften heißt das
noch lange nicht, dass wir Lügen. Im Gegenteil. Die Worte eines Bauern sind oft
reiner als die so mancher Adliger. Sie haben Dinge gesehen, von denen
Schlossherren nicht einmal träumen mögen. Sie müssen gegen Geschehnisse
vorgehen, die jeder andere als Unfug abtut.“ Sie schäumte vor Wut und machte
noch einen Schritt auf Alex zu. Auch dieser konnte seinen Ärger über diese
Aufmachung nur schwer im Zaum halten.
„Dann sage
mir, warum du ausgerechnet jetzt darauf kommst und nicht an irgendeiner anderen
Stelle in diesem Wald!“
„Ein Gefühl!“
„Ein
Gefühl?!“, echote Alex und zog die Augenbrauen hoch. „James, es ist ihr
Gefühl!“
„Genug!“, fuhr
James genervt dazwischen.
„Eine ärmliche
Bäuerin aus dem Dorf bist du also“, sagte Alex verächtlich und bei diesem Satz fielen
James fast die Augen aus dem Kopf. Er starrte seinen Begleiter fassungslos an.
Gerade Alex, der zwar adlig aber trotzdem so arm war, musste so etwas sagen.
Alex wurde unbehaglich unter dem Blick seines Freundes, das merkte James, doch
zur Rede stellen würde er ihn später trotzdem noch. Doch das, musste er zwei
Sekunden später feststellen, brauchte er gar nicht mehr. Svenja nahm ihm diese
Aufgabe bereits ab.
„Ja, aus dem
Dorf“, sagte sie leise und drohend. „Dort, wo die ärmlichen Bauern hart für
alles arbeiten, wo sie sich alles selbst beibringen und dem
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