Gefährten - im Wettlauf gegen die Finsternis (German Edition)
Angst
die in der Luft lag war förmlich zum Greifen. Doch in diesem Moment blendete er
all das aus. Sah nicht die von Furcht und Gram gezeichneten Gesichter der
Menschen, an denen er vorbei lief. Sah nicht die neuen Wälle und Schutzmauern.
Er war zu Hause. Ohne, dass er darauf achtete wohin er ging, trugen ihn seine
Füße zu dem kleinen, schäbigen Haus am Ende einer Gasse. Es sah immer noch so
heruntergekommen aus wie vor einem halben Jahr. Es war nicht einmal ein halbes
Jahr gewesen, aber es fühlte sich wie Ewigkeiten an. Vorsichtig drückte er die
Tür auf. Sie knarrte – wie immer. Plötzlich unsicher, trat er in den kleinen
Raum. Eine Frau saß am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt. Sie wirkte müde
und alt. Graue Strähnen durchzogen ihr ehemals dunkel glänzendes Haar.
„Ma?“,
flüsterte Alex leise und trat zögernd einen Schritt auf sie zu. Ihr Kopf ruckte
nach oben, ihre Augen wanderten einen Moment lang orientierungslos durch den
Raum und fixierten dann ihn.
„Alexander!“,
hauchte sie und sprang auf. Klappernd fiel der Stuhl zu Boden, als sie auf
ihren Sohn zu hastete und ihn in die Arme schloss. Es war wie letzten Sommer.
Alex wusste nicht was er tun sollte, bevor er sich dazu entschied die Umarmung
zu erwidern. Sie schluchzte.
„Ma, es ist
alles gut!“, versuchte er sie zu beruhigen. Erfolglos. Dann wich sie einen Schritt
zurück und musterte ihn.
„Du bist zurück“,
murmelte sie mit tränenüberströmtem Gesicht. Er nickte, dann sah er sich um.
„Ma, wo ist
Naddy!“ Sie schluchzte noch lauter, ein Weinkrampf schüttelte sie, ließ sie zu
Boden gehen. Bestürzt stützte er sie, zwang sie mit seinen Händen ihn anzusehen.
„Ma?“, fragte
er, doch sie konnte kaum sprechen.
„Sie… das
Fieber… der Heiler… nichts tun“, wimmerte sie leise, abgehackt. „Die Göttin hat
sie uns genommen.“ Alex spürte wie sich alles in ihm zusammenzog, wie er keine
Luft mehr bekam und seine Beine ihm ihren Dienst versagten. Er spürte den
dumpfen Schmerz in den Knien nicht, als sie auf dem Boden aufschlugen.
„Maravilla“, flüsterte Svenja
leise und betrachtete die Stadt, während sie ihrem immer noch nervösem Pferd
den Hals tätschelte. James sah sie von der Seite her an. Das hatte weder
glücklich noch fasziniert geklungen stellte er fest, nachdem er seine Gedanken
sortiert hatte und den Schrecken über die unerwartete Reise überwunden hatte.
„Freust du
dich nicht?“, fragte er leise, denn er traute seiner Stimme noch nicht ganz.
Wie hatte sie nur so risikofreudig sein können? Was wäre gewesen, wenn der
Baumgeist sie nicht hätte gehen lassen? Doch Svenja bekam nichts von dem Sturm
an Fragen in seinem Kopf mit.
„Wie kann man
sich freuen?“, fragte sie ebenfalls leise während sie ihr Pferd zum Schritt
antrieb. Es schien, als hätte sie nicht den geringsten Zweifel an ihrer
magischen Reise gehabt.
„Sieh dir das
an. Dieses gigantische Heer vor den Toren. All diese Menschen, die bald dem Tod
ins Auge blicken werden. Kann man sich da freuen?“, fuhr sie fort, als sie
bemerkte, dass James ebenfalls angeritten und nun neben ihr war. Er schwieg
eine Weile, doch dann nickte er langsam.
„Ich freue
mich nach Hause zu kommen“, sagte er ruhig und sie lächelte, kläglich.
„Tut mir leid,
so war das nicht gemeint“, meinte James erschrocken, als er begriff was er eben
gesagt hatte. Doch sie winkte ab.
„Lass es gut
sein, du hast ja recht! Komm, wir sind dem Ende unserer Reise so nah, lass uns
das letzte Stück so schnell wie möglich hinter uns bringen und sehen, ob sie
bereits herausgefunden haben, wie man das silberne Medaillon öffnet.“
„Das lässt dir
keine Ruhe, was?“
„Nein, dir
etwa?“
„Nein“, rief
er und trieb sein Pferd an. Sie jagte hinterher. Im vollen Galopp ging es über
den harten Boden. Die Zelte der vor den Toren Lagernden kamen immer näher. Sie
zügelten ihr Tempo erst, als sie die ersten Zelte erreichten. Neugierige und
misstrauische Blicke folgten ihnen, als sie durch die Gasse ritten, die die
Zelte gebildet hatten und die direkt vor dem äußersten Tor endete.
„Es steht
offen?“, murmelte Svenja verdutzt, als sie darauf zuritten. Nur zwei Wachen
standen rechts und links und beobachteten die hinein und hinaus Gehenden.
„Warum steht
ein Tor in Zeiten wie diesen so weit offen? Jedem Spion wäre es ein leichtes
unbemerkt hinein zu gelangen“, flüsterte sie wütend. James zog die Augenbrauen
hoch.
„Du scheinst
dich ja
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