Gefährtin Der Finsternis
Silberkette, die Art Zierde, wie ein Ritter sie vielleicht um den Hals tragen würde. Jemand musste es hier verloren haben, aber wie? In diese Ecke des Kirchhofs kam nie jemand. Der Friedhof befand sich auf der anderen Seite … sie erstarrte. Sie blickte erneut auf die Stelle am Boden, wo sie gestürzt war, auf das aufgewühlte Gras und den weichen Schlamm, als hätte dort jemand gegraben. Es war ein Grab.
»Tom!«, rief sie und lief zur Kirche. »Tom, komm schnell! Wir müssen nach Hause!«
Zunächst wollte Tom, dass Isabel in der Kirche bliebe, wo er sich sicher war, dass ihr nichts geschehen könnte, und Raymond und sein Cousin hatten zugestimmt. »Was auch immer dort draußen sein mag, es wird nicht wagen, in die Kirche zu kommen«, hatte Raymond beharrt. Aber sie wusste, dass es nicht so war, und Pater Colin ebenfalls.
»Bleibt hinter den Mauern Eures Vaters, Mylady, was auch immer geschehen mag«, hatte er ihr geraten und die Proteste der übrigen Männer damit im Keim erstickt. »Sein Segen wird Euch dort so sehr beschützen wie nirgendwo sonst. Er war ein gottesfürchtiger Mann.«
»Das war er«, hatte sie zugestimmt und seinen Kuss auf ihrer Wange erlaubt, obwohl sie ihn eigentlich kaum gehört hatte, weil sie unbedingt gehen wollte. »Ich werde in Charmot bleiben.«
Nun hatten sie den Wald erreicht, und die Sonne war bereits untergegangen. Raymond und sein Cousin hatten darauf bestanden, mit ihnen zu kommen, zu Isabels Schutz mit Pike und Heugabel bewaffnet, aber da sie zu Fuß gingen, war die Gruppe nur langsam vorangekommen. Doch nun befanden sie sich in dem alten Druidenhain, kaum noch zwei Meilen vom Schloss entfernt. »Jetzt dauert es nicht mehr lange«, sagte Raymond lächelnd und klang erleichtert.
»Nicht mehr lange«, stimmte sie ihm zu.
Plötzlich wieherte Toms Stute erschreckt auf, blieb stehen und weigerte sich weiterzugehen. »Was ist los?«, fragte Isabel und wendete ihr Pferd. Malachi schien vollkommen ruhig.
»Ich weiß es nicht, Mylady.« Die kleine Stute drehte sich erneut und wehrte sich gegen die Zügel. »Etwas hat sie erschreckt.«
»Gott schütze uns«, murmelte Raymond und umfasste seine Heugabel fester.
»Ist schon gut«, sagte Isabel. »Sie hat wahrscheinlich eine Schlange gesehen …«
»Nein, Mylady.« Die Stimme von Raymonds Cousin klang kalt vor Angst. »Keine Schlange.«
Sie wandte sich in die Richtung, in die er deutete, und sah den Wolf, der größte seiner Art, den sie jemals gesehen hatte. »Ist er das, Mylady?«, fragte Tom, der noch immer mit der Stute rang. »Ist das der Hund, den Ihr gesehen habt?«
»Nein«, antwortete sie leise, überrascht, dass ihre Stimme ihr gehorchte. Der Hund, den sie gesehen hatte, war kleiner gewesen, mit breiterer Brust und einem breiten, dreieckigen Kopf. Dies war ein Wolf, lang und hager, mit einem längeren, raueren Fell. Sie konnte im schwindenden Dämmerlicht erkennen, dass er einen Hirsch gerissen hatte und ihn mitten im Druidenhain verschlang, und zwar nicht vom Bauch her, wie ein Tier es tun würde, sondern an der Kehle, als tränke er sein Blut.
»Blasphemie«, sagte Raymond und trat neben Isabel. Der Hirsch war für die einfachen Leute des Waldes, ob sie Christen waren oder nicht, noch immer ein heiliges Tier, sein Fleisch und Blut ein heidnisches Sakrament.
Der Wolf schaute bei dem Wort auf. Isabel keuchte, und ihr Herz raste vor Angst. Seine Augen glühten schwach, mit einem grünen, dämonischen Schein. »Gütiger Gott im Himmel«, flüsterte Raymonds Cousin. »Was für ein Teufel ist das?«
»Ich weiß es nicht.« Sie umfasste Malachis Zügel fester, erwartete, dass er scheuen würde, aber in Wahrheit schien ihr Pferd viel zuversichtlicher, als sie sich fühlte. Der Wolf sah sie direkt an, eine einzelne Pfote lag auf dem Hals seiner Beute. Der Hirsch erschauderte, lebte noch, und ein Schauder durchlief auch sie.
»Flieht, Mylady«, sagte Raymond drängend und hob seine Heugabel an, während sein Cousin es ihm mit der Pike gleichtat. »Reitet zum Schloss. Wir werden die Bestie in Schach halten.«
»Nein.« Sie schlang die Zügel fester um ihre linke Hand und tastete mit ihrer Rechten nach Raymond, ihr Blick noch immer mit dem des Wolfs verschränkt. »Steigt auf – und Ihr steigt bei Tom auf.« Malachi tänzelte zu einer Seite, aber Raymond gelang es, hinter ihr in den Sattel zu steigen, alle Schicklichkeit war vergessen, während er seine Arme um ihre Taille schlang. Der Wolf beobachtete alles unbewegt, und
Weitere Kostenlose Bücher