Gefangen im Terror (German Edition)
und beten. Allah wird bei uns sein.“
Chamil musste nur auf der Hut sein, keine Informationen weiter zugeben, die er offiziell nicht wissen konnte. Das machte die Sache schwierig. Wenn er nur seinen Freund Achmed eingeweiht hätte. Achmed wusste nicht, dass Fatma an dieser Schule unterrichtete. Er war in der Schule, er hatte alle Möglichkeiten. Aber ihn anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten, war unmöglich. Es ging um eine Frau. Achmed würde ihn auslachen oder für verrückt halten, er war ein Gotteskrieger und Frauen, auch wenn es sich um die Frau des Freundes handelte, waren ihm gleichgültig. Chamil hatte sich an diese Regel gehalten, trotzdem war es ihm nicht wohl dabei. Auch er hatte sich der gerechten Sache verschrieben und nichts war so wichtig, wie der heilige Krieg und Mohammeds Gebote zu erfüllen.
Persönliche Probleme änderten nichts an deren Durchsetzung.
Verschiedenen Males hatte sein Handy geklingelt. Immer wenn Achmeds Nummer im Display erschienen war, hatte er nicht abgenommen. Er fühlte sich feige. Er hätte Achmed erklären müssen, warum er nicht rechtzeitig zum verabredeten Startpunkt gekommen war. Er konnte nicht zugeben, dass es wegen seiner Unpünktlichkeit und Fatma war. Nach Beendigung der Geiselnahme würde er seinem Freund alles erklären müssen.
Chamil hatte den Schulhof nicht aus den Augen gelassen. Er war sicher, dass die Erstürmung der Schule kurz bevor stand. Inzwischen war immer mehr Militär angerückt und Scharfschützen hatten sich um die Schule in Position gebracht.
Auf einmal knallte es wieder in der Schule, diesmal so laut, dass es Chamil sofort klar war, es handelte sich um Bomben und nicht um Gewehrfeuer. Von Außen war nichts zu erkennen. Die Einheiten, die zur Erstürmung der Schule angerückt waren, verharrten noch auf ihren Plätzen. Chamil versuchte, sich vorzustellen, was in der Schule vor sich ging. Wahrscheinlich waren Sprengstoffpakete aus Unachtsamkeit explodiert. Er wusste, dass die Terroristen, besonders die jungen unter Drogen standen. Er hatte auch immer wieder etwas eingenommen oder sich gespritzt. Danach fühlte man sich leicht, aber es machte auch unaufmerksam und leichtsinnig. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er biss sich auf die Zähne und zitterte am ganzen Leib. Hatte er auch hier versagt und die Zünder falsch programmiert? Es gab kein Zurück mehr.
Während Chamil noch da saß, seinen Kopf auf die Hände gestützt, geschah es: Eine gewaltige Detonation und zwei weitere brachten das Dach der Turnhalle zum Einsturz. Aus allen Fenstern sprangen Kinder, Männer und Frauen. Sie rannten in alle Richtungen über den Schulhof. Die Terroristen schossen aus der Schule auf die Fliehenden. Viele wurden von hinten tödlich getroffen, einige liefen in ihrer Panik direkt in die Gewehrläufe der Befreier, die auch auf die Schule schossen. Wer wen niederschoss war nicht mehr zu erkennen. Es gab ein riesiges Chaos.
Chamil rannte mit seinem Gewehr aus dem Haus, immer hinter Fahrzeugen Deckung suchend. Es war im Moment unmöglich, auf das Schulgelände oder in die Schule zu gelangen.
Mit dem Gewehr im Anschlag lief er auf die Schule zu. Auf wen sollte er schießen? Auf die Geiseln oder auf die Terroristen? Er gehörte zu beiden Seiten. Wenn alles wie geplant gelaufen wäre, müsste er jetzt auf die fliehenden Geiseln schießen. Doch vielleicht war Fatma unter ihnen und sie wollte er doch befreien. Was wenn sein Bruder Mehmet oder sein Freund Achmed auftauchten. Auch sie waren plötzlich Feinde. Chamil war völlig durcheinander. Er war hoffnungslos zwischen die Fronten geraten. Wie sollte er Fatma retten, ohne selbst zum Opfer zu werden? Doch es gab keine andere Möglichkeit, er musste handeln.
Er schlich so nahe wie möglich an die Schule heran. Bei den Garagen sah er sie plötzlich laufen. Er hatte sie sofort erkannt. Ihre schmale Gestalt, ihr neues Kleid, auf das sie so stolz gewesen war, und ihre sonst unter dem Kopftuch versteckten Locken waren zu auffällig. Chamil war sofort sicher, dass es Fatma war.
Er beobachtete, wie sie zu der Ambulanz gebracht wurde und rannte auf die andere Seite des Schulhofes. Trotz der schrecklichen Ereignisse, fühlte er sich plötzlich leicht und befreit. Sie hatte überlebt. Er lief ohne auf seine Deckung zu achten und kurz bevor er wieder hinter einer Mauer Schutz suchen konnte, traf ihn ein Schuss. Er fühlte einen stechenden Schmerz im Bauch und als er das Gewehr fallen ließ und seine Hand gegen den Nabel
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