Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
brauner Hund im Stroh. Seine Augen waren stumpf, und sein Schwanz schlug zaghaft auf den Boden, als er mich kleines Kind sah. Ich verscheuchte vorsichtig die Fliegen, die seine verklebten Augen umschwirrten, und redete mit meinem hohen Kinderstimmchen auf das geschundene Tier ein: »Hallo, du! Wo kommst du denn her? Bist du zu uns gelaufen, damit wir dir helfen, ja? Und wir wollen dir auch helfen, wenn du uns nur lässt!« Vorsichtig tastete ich nach dem Strick um seinen Hals, zuckte aber zurück, als er knurrend die Lefzen hob und die Zähne fletschte. Hastig kletterte ich über die Hühnerleiter zurück in die Küche, erbettelte mir drei kleine Kartoffeln und eine Schere. Leise sprach ich mit dem Tier, stellte ihm den Napf mit den Kartoffeln hin und wartete, bis es diese Delikatesse heißhungrig verschlungen hatte. Dann näherte ich mich erneut und schaffte es, den Strick durchzuschneiden. Der Hund leckte mir dankbar die Hand, während ich die Schnur ganz langsam aus seinem wunden, blutverkrusteten Fleisch zog. Er winselte, aber mit unendlicher Geduld gelang es mir, sein Vertrauen zu gewinnen. Schon bald legte er mir seine feuchte Schnauze in den Schoß, wobei er mich unverwandt dankbar ansah.
Es war Liebe auf den ersten Blick.
Als der Vater aus der Fabrik heimkam, hatte ich entsetzliche Angst, er könnte meinen neuen Freund vertreiben, mich schimpfen oder schlagen. Am schlimmsten wäre es gewesen, er hätte den Hund geschlagen. Aber er hatte Mitleid mit dem Hund, und ich durfte ihn behalten. Er wurde mein Mäx, mein treuer Begleiter, und hat noch so manches Kinderabenteuer mit mir durchgestanden.
Anders verlief die Sache mit dem Kätzchen. Beim Versuch, frisches Trinkwasser für Mäx aus dem Graben im Garten in eine verrostete Blechbüchse zu schaufeln, schnitt ich mir am scharfkantigen Deckel das letzte Glied des rechten Mittelfingers ab. Das Blut spritzte, und mir wurde schlecht, als ich die Fingerkuppe im Wassergraben davonschwimmen sah. Kopflos wie ein Huhn rannte ich panisch zu Oma Bärbel und brach schreiend vor ihrer Haustür zusammen.
Sie verband mir den Finger fest mit Mull, und fasziniert sah ich zu, wie das Blut den Verbandsstoff braun färbte. Um mich von meinen Schmerzen abzulenken, führte sie mich in den Stall, wo fünf junge Kätzchen im Heu lagen. Die Mutter leckte ihre Jungen sauber, und Oma Bärbel sagte:
»Zum Trost für deinen verlorenen Finger darfst du dir jetzt eines aussuchen.«
Ich drehte mich überwältigt zu ihr um, der Schmerz war vergessen. »Wirklich, Oma Bärbel?«
»Na ja, einen Liter Milch hätte ich gern dafür. Ihr habt doch eure Kuh Liesel.«
»Und ich darf es wirklich behalten?«
»Wie ich schon sagte: Einen Liter Milch im Tausch gegen das schönste Kätzchen.«
Ich brauchte lange, bis ich mich für ein Weißes mit grauen Flecken entschieden hatte. Es gab überraschend hohe Piepstöne von sich, und seine winzigen Pfoten krallten sich an meine Brust, während ich es wie eine Kostbarkeit zu unserem Haus hinuntertrug. Die Mutter war inzwischen vom Feld zurück und fegte mit einem Besen die Stube.
»Was hast du denn mit deinem Finger gemacht?«
»Och, das ist nicht weiter schlimm.«
»Und was soll das Katzenvieh? Hast du mit dem Köter noch nicht genug?«
»Oh, Mutter, stell dir vor, Oma Bärbel hat es mir geschenkt!« Meine Augen strahlten, und in meiner Stimme lag ein Flehen.
»Geschenkt?«, fragte die Mutter gedehnt und stützte sich auf ihren Besen. »Oma Bärbel und geschenkt?«
»Na ja, sie will nur eine winzige Kleinigkeit dafür, nur einen Liter Milch … «
»Einen LITER . So!« Die Mutter lehnte resolut den Besen an die Wand, setzte sich auf ihren Hocker und zog mich auf ihren Schoß. »Weißt du, wie viel ein LITER ist?!«
Ich zeigte mit dem Daumen und dem verstümmelten Finger eine bechergroße Menge an. »So viel …?«
»Das ist noch nicht mal ein Viertelliter.« Die Mutter stieß ein Seufzen aus, das sich nicht gerade vielversprechend anhörte. »Viermal so viel, und dann noch mehr.« Sie nahm Vaters Blechtasse aus dem Holzregal und stellte sie mit Schwung auf den Tisch. »Viermal diese Tasse und zwar randvoll. Das ist ein Liter.« Sie stellte ihren Kaffeebecher, den von Sieglinde und meine Blechtasse nebeneinander.
Meine Augen wurden groß und rund. Das war allerdings viel Milch. Mehr als die ganze Familie innerhalb einer Woche zu trinken bekam.
Oma Bärbel war aber auch maßlos!
An meine Brust gedrückt hielt ich das maunzende Kätzchen, das
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