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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ich auf keinen Fall wieder hergeben würde.
    »Es hat auch schon einen Namen!«, piepste ich übereifrig. »Es heißt Lilli!«
    »Und deine Lilli braucht zusätzlich Milch«, sagte die Mutter kopfschüttelnd. »Das ist ausgeschlossen.«
    »Aber bitte, Mutter, sie ist doch so süß, und ich weine auch gar nicht wegen meinem Finger … «
    »An deinem Finger bist du selbst schuld«, setzte die Mutter ungnädig nach, räumte die Tassen wieder ins Regal und stand so rüde auf, dass ich von ihrem Schoß purzelte. Das Katzenbaby bohrte seine Krallen in meine Haut. »Du kannst froh sein, dass ich dir keine Tracht Prügel verpasse.«
    Ja, das war so in meiner Kindheit. Hatte man sich verletzt, bekam man noch Schläge obendrein.
    »Darf ich Vater fragen, wenn er nach Hause kommt?«
    Vater hatte mir schließlich auch Mäx erlaubt.
    »Fürs Erste bringst du das Katzenvieh in den Stall zu Mäx. Der Vater soll es nicht sofort sehen. Ich glaube nicht, dass er auf Oma Bärbels Bedingungen eingehen wird. – Und du gehst jetzt sofort ab ins Bett, marsch, ich will kein Wort mehr hören.«
    Niedergeschlagen schlich ich in meine Kammer und betete zum lieben Gott, dass der Vater mir das Kätzchen erlauben würde.
    Als ich am nächsten Morgen hoffnungsvoll in die Küche kam, hörte ich ein merkwürdiges Klatschen aus dem Stall nebenan.
    »Was macht der Vater?«, schrie ich panisch. Wen schlug er? Sieglinde? Mäx?
    Die Mutter zuckte die Schultern. »Ich habe es dir doch gesagt! Ein Liter! Die Alte hat sie ja wohl nicht alle!« Sie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn und knallte mir meinen Malzkaffee hin. »Da, trink, und dann ab in die Schule!«
    Plötzlich pochte mein Finger wie eine tickende Zeitbombe. Die Hoffnung auf das Kätzchen hatte meinen Schmerz ausgeblendet. Halb wahnsinnig vor Angst stolperte ich in den Stall. Dort stand breitbeinig mein Vater und schlug das kleine Kätzchen wiederholt gegen die Wand.
    »Halt! Vater! Was machst du da! Du schlägst es ja tot!« Ich schrie und kreischte, aber er führte sein Werk fort wie jemand, der gewissenhaft einen Teppich ausklopft. »Mutter! So hilf mir doch! Er tut Lilli weh!« Gelähmt vor Schmerz spürte ich, wie ein lauwarmer Strahl an meinen Strümpfen herunterrann.
    Meine Blase entleerte sich, und ich stand in einer Urinlache.
    Vater ließ das tote Kätzchen fallen und verschwand durch die Stalltür nach draußen.
    Er war schwerhörig, auch für die Gefühle seines Kindes. Mäx schnupperte an dem toten Tier. Vielleicht wollte er es fressen, er hatte ja sonst nichts! Ich wollte hineilen und es aufheben, aber meine Mutter riss mich von hinten an den Haaren.
    »Dass du dich unterstehst, hier in die Gegend zu pinkeln!« Wimmernd versuchte ich, mich loszureißen.
    »Was habe ich dir gesagt?«, schrie die Mutter und schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. »Ich habe dir doch gesagt, dass du das Kätzchen nicht behalten kannst. Oma Bärbel ist eine unverschämte Person, und der Vater hat nur getan, was ich ihm aufgetragen habe! Und zur Strafe gehst du jetzt mit der vollgepinkelten Hose in die Schule! Aber dalli! Und wenn ich hören muss, dass du zu spät gekommen bist, setzt es heute Abend was mit dem Riemen! – Los, ab, aber sofort!«
    Ich rannte laut schluchzend in meinen nassen, stinkenden Sachen in die Schule, mitsamt meinem pochenden, blutenden Finger, dessen Kuppe irgendwo in der Glatt schwamm, und wäre am liebsten genauso tot gewesen wie das Kätzchen.
    Aber als ich von Schluchzern geschüttelt in die Schule kam, hatte niemand Mitleid mit mir, weder die Lehrerin noch die Kinder. Sie zeigten lachend auf mich und wandten sich angewidert ab. »Gerti-in-die-Hose-Macher, Gerti-in-die-Hose-Macher«, höhnten ihre schrillen Kinderstimmen im Chor. Ich sank auf meinen Schemel und duckte mich, bis ich glaubte, unsichtbar zu sein. Dann träumte ich mich fort.

6
    »Hallo, Gerti? Sie träumen ja!«
    »Oh, ja, ähm was … Entschuldigung, ich habe Sie gar nicht kommen hören.« Schnell setzte ich mich in meinem Liegestuhl auf. Tatsächlich hatte ich nach einer Massage im Ruheraum unter einer flauschigen Wolldecke meinen Tagträumen nachgehangen. Ich sollte mich wenig bewegen und viel ruhen, so Herr Professor Lenz, und gleichzeitig so viele Kalorien zu mir nehmen wie möglich. Hätte ich fünfzig Kilo erreicht, dürfte ich an den Spaziergängen der anderen teilnehmen.
    »Haben Sie wenigstens was Schönes geträumt?« Jürgen Bruns ging vorsichtig neben mir in die Hocke und zupfte

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