Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
spürte, wie mein Kopf dunkelrot angelaufen war, meine Halsschlagader pulsierte, mein Mund war trocken, und meine Beine gaben nach. Mein Mann war plötzlich mein Feind! Ich konnte ihm nicht mehr vertrauen! Ich tastete nach der Sofalehne, auf die ich kraftlos sank.
»Hier«, meinte Leo mit stoischer Gleichmut und hielt mir seine fast leere Whiskeyflasche hin. »Trink! Ist noch ein Schluck drin.«
Angewidert wischte ich die Flasche fort. »Leo, warum tust du das?« Meine Stimme überschlug sich, und ich zwang mich, sie eine Oktave tiefer zu schrauben. »Das ist doch nur ein albernes Machtspiel. Lass uns doch wie erwachsene Menschen miteinander reden.«
»Das tue ich.« Leo beugte sich vor, und ich sah jede einzelne Ader in seinen blutunterlaufenen Augen. »Du kannst dich doch sicherlich entsinnen … « Er hob die Whiskeyflasche an den Mund und trank sie leer. »Hups! Entsinnen. Erwachsenes Wort, nicht wahr? Gnädige Frau kann sich also bestimmt entsinnen, dass wir in München zusammen beim Notar waren?«
»Ja?« Ich ließ das Wort im Raum stehen. Ich hatte nicht unterschrieben, dass er ab sofort die unumschränkte Verfügungsgewalt über mich und die Kinder hatte.
»Du hast unterschrieben, dass alle unsere Güter und Werte nach Südwestafrika transferiert werden«, sagte Leo fast schon verächtlich. »Und dass du und die Kinder die südafrikanische Staatsangehörigkeit annehmt.«
»Nein!«, schrie ich auf. »Das habe ich nicht !«
»O doch, das hast du.« Mit glasigen Augen zeigte Leo auf mich. »Das Kleingedruckte hast du ja nicht gelesen, denn Lesen ist ja sowieso nicht deine Stärke. Eher das Keksebacken!«
»Das ist nicht wahr!« Ich heulte Rotz und Wasser. »Du hast mir gesagt, dass ich für irgendwas bürgen soll. Ich habe dir vertraut, du hast mir hinterher eine Uhr geschenkt auf der Dachterrasse des Bayerischen Hofs … Bei Rehbraten und Rotwein hast du meine Hand gehalten und mir von einer wunderbaren Zukunft im Land der tausend Möglichkeiten vorgeschwärmt!«
»Ja, mit Schmuck und Geschmeide hatte ich das kleine naive Mädchen, das du immer noch bist, da, wo ich es haben wollte.« Leo schlug sich auf die Schenkel und lachte dreckig. »Aber wahrscheinlich hätte es auch ein Rosinenkeks oder ein bunter Luftballon getan!«
»Leo, du hast mich … ausgenutzt?«
»Aber nein!« Plötzlich wurde seine Stimme ganz weich – triefte aber nur so von Ironie. »Meine kleine Prinzessin hat mit dem berühmten Kohle-Wolf doch eine sehr anständige Partie gemacht! Sonst säße sie womöglich wieder in ihrem Schwarzwälder Drecksloch und würde am Hungertuch nagen?«
»Oh, du bist so was von gemein und geschmacklos!« Ich konnte weinen und jammern, so viel ich wollte: Er hatte mich komplett in seiner Gewalt. Bis jetzt hatte ich ihn mit Fragen und Vorwürfen verschont, um des lieben Friedens willen. Doch jetzt kam alles auf den Tisch. »Du hast mich also auch unterschreiben lassen, dass das Haus deiner Eltern in Deutschland nichts mehr wert ist?«, schluchzte ich fassungslos. »Deine armen Eltern sitzen ahnungslos in einem Haus, das längst der Sparkasse gehört, und gehen davon aus, dass sie darin Wohnrecht auf Lebenszeit haben? So war das damals mit ihnen vereinbart, Leo! Sonst hätten sie uns die zweihunderttausend Mark aus ihrer Altersvorsorge niemals gegeben!«
»Die Zeiten ändern sich«, entgegnete Leo gelassen. »Jetzt habe ich alles hier in Afrika investiert. Man muss als Unternehmer auch mal ein Risiko eingehen.«
»Auch mal ein Risiko!«, schnaubte ich wutentbrannt. » Auch mal ein Risiko? Weißt du, dass mein armer Vater sein einziges brauchbares Stück Land, auf dem er vierzig Jahre seines Lebens mit bloßen Händen geackert hat, verkaufen musste, um den Container-Transport zu bezahlen?« Ich keuchte vor Empörung, und meine Stimme wurde schrill. Mit dem Mut der Verzweiflung schrie ich ihm die Anschuldigungen ins Gesicht. »Mein armer Vater hat sein letztes Hemd gegeben! Weil er an unseren Traum geglaubt hat!«
»Das war sehr vernünftig von ihm«, antwortete Leo in diesem gönnerhaft-ironischen Ton. »Denn jetzt habe ich meine Söhne hier, und mein Plan ist perfekt aufgegangen.«
»Was soll das heißen, du hast deine Söhne hier?« Das Blut rauschte mir so laut in den Ohren, dass ich mein eigenes Wort nicht mehr verstand. »Du hast deine eigenen Eltern ins Messer laufen lassen, und meine Eltern haben ihren letzten Groschen hergeben müssen, damit du deine Söhne hier hast?!« Ich begriff
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