Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
vor.
»Und lass dir von einer alten Frau einen Rat geben. Zeig ihm nicht, wie sehr er dir am Herzen liegt.«
Als April sich ihr wieder zuwandte, war die Frau verschwunden. Wie auf Kommando sprangen die Hunde auf und stoben in die entgegengesetzte Richtung davon.
»Heiliger Strohsack … das war ja vielleicht eine verrückte Alte«, sagte Caro. »Und sie schien nicht gerade dein größter Fan zu sein, was?«
»Ich hätte nicht mit euch hierherkommen sollen«, sagte Gabriel, noch immer sichtlich aufgebracht. »Ich hätte wissen müssen, dass sie uns findet.«
»Aber wer war die Frau?«, fragte April.
Gabriel schien ihre Frage nicht gehört zu haben. »Diese dämlichen, verblendeten, bigotten …«, murmelte er.
»Gabriel!«
»Hexen, April. Sie war eine Hexe.«
»Ich dachte immer, Hexen tragen spitze schwarze Hüte«, sagte Caro. »Und keine Barbour-Jacken.«
»Vamps haben also Angst vor Hexen?«, fragte April. »Aber wieso?«
»Deshalb«, antwortete Gabriel und zeigte auf ihren Beutel. »Weil sie immer noch über das Wissen verfügen, mit dem sie alles zerstören können, was uns ausmacht. Sie finden immer eine Möglichkeit, auch wenn uns sonst nichts mehr etwas anhaben kann.«
»Tja, Gott sei Dank«, bemerkte Caro. »Ohne dir zu nahe treten zu wollen.«
Gabriel lächelte grimmig. »Schon okay, Caro. Und vielleicht hast du ja recht. Vielleicht ist es gut, dass es jemanden gibt, der die Fähigkeit dazu hat.«
April sah sich um. Sie hatte noch immer Angst, die Vampire könnten aus dem Nichts auftauchen.
»Ich hoffe nur, das ist auch so.«
Vierzehntes Kapitel
A pril stand mit einer orangefarbenen Plastiktüte vor Miss Holdens Hintertür. Sie kam sich wie eine Obdachlose auf der Suche nach einem Unterschlupf vor. Was in gewisser Weise ja auch stimmte.
»Was ist denn da drin?«, fragte die Lehrerin.
»Das können Sie sich doch bestimmt denken, Miss.«
»Einen Ausflug ins Grüne gemacht, April?«, fragte sie mit einem Anflug von Ironie. »Es freut mich ja, dass ich dir helfen konnte, aber wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest. Ich habe noch einige Arbeiten zu korrigieren.«
»Ich brauche Hilfe, Miss«, erklärte April mit fester Stimme. »Allein kriege ich es nicht hin. Bitte.«
Miss Holden musterte sie einen Moment lang, dann öffnete sie die Tür.
»Komm rein.«
Die Lehrerin verriegelte die Tür hinter ihnen, trat vor die Spüle und füllte Wasser in den Kupferkessel.
»Mir ist vollkommen klar, in welcher Lage du dich befindest, April«, sagte sie, »aber ich kann dir nicht helfen. Du hast ja keine Ahnung, wie schwierig es war, dich bis hierher zu unterstützen.«
»Schwierig? Mein Dad wurde getötet, Miss. Mein ganzes Leben ist ein einziger Scherbenhaufen. Außer Gabriel habe ich niemanden mehr! Wieso soll das schwierig für Sie sein?«
»Ich bin nicht diejenige, die die Regeln macht, April. Ich kann dir nicht einfach versprechen, dass ich dir helfe, nur weil du mich darum bittest.«
»Regeln? Was ist hier eigentlich los? Wieso redet auf einmal jeder nur noch von Regeln? Meine Mutter ist plötzlich der reinste Moralapostel, dann Gabriel und diese alte Frau, und jetzt auch noch Sie.«
»Welche alte Frau?«
»Unwichtig. Der Punkt ist, dass es keine Regeln mehr gibt. Die Blutsauger machen, was sie wollen. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? ›Nur um Mitternacht‹? ›Keine Kinder‹? ›Keine Prominenten‹? Von wegen!«
Miss Holden sah sie verblüfft an.
»Oh, ich lerne schnell. Deswegen bin ich doch nach Ravenwood gekommen, oder? Aber all diese Regeln wurden längst gebrochen. Wie kommen Sie also darauf, Sie müssten sich daran halten, noch dazu, wo Ihr superstrenger Kodex sowieso völlig verkehrt ist?«
»Selbst wenn ich derselben Meinung wäre wie du …«
»Dann vergessen Sie’s. Vergessen Sie’s einfach. Ich dachte eben, Sie würden mir helfen.«
»Das habe ich doch getan, April! Ich habe dir von dem Buch erzählt. Was willst du denn noch?«
April stand auf und ging zur Tür.
»Setz dich hin, April.«
»Nein.«
» SETZ DICH VERDAMMT NOCH MAL HIN !«
Miss Holden packte April am Arm und drückte sie auf einen Stuhl.
»Also gut. Ich weiß ja, dass du wütend und durcheinander bist. Du hast auch weiß Gott jedes Recht dazu. Aber es geht hier nicht nur um dich, auch wenn es so aussehen mag. Ich habe die Regeln nicht aufgestellt, sondern habe sie wie alle anderen Wächter von meinem Vater gelernt, und bin im Glauben an sie groß geworden. Anfangs dachte ich, das seien
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