Gefangene der Dunkelheit
schleuderte den Mann, den er festgehalten hatte, wie ein Spielzeug gegen einen Baum. Der Kopf des Briganten rollte auf seiner Schulter umher, als er offensichtlich tot zu Boden fiel, und der Dämonenritter sank auf die Knie. »Nein … das bin ich nicht«, murmelte er, und Tristan hörte einen irischen Akzent in seiner Stimme.
Was bist du?, dachte Tristan und versuchte, sich auf das Gesicht des Geschöpfs zu konzentrieren. Der Dämonenritter beugte sich näher zu ihm hin, wie um ihm einen Gefallen zu tun, und sah ihm fest in die Augen, während seine Nasenflügel leicht bebten, als wollte er Witterung aufnehmen. Er berührte Tristans Wange mit den Fingerspitzen, und Tristan wollte ausweichen. Aber seine Kraft war verbraucht. Er starb. Er wollte die Augen schließen, wollte den forschenden Blick des Dämons nicht mehr sehen, aber selbst dazu reichte seine Kraft nicht mehr. Der Dämonenritter legte eine Hand um seinen Nacken und hob ihn mit großer Zartheit zu sich hoch. Tristan sah Schmerz in den dunkelbraunen Augen. Dann entblößte er seine Zähne und versenkte sie in Tristans Kehle.
Nein!, dachte Tristan, ein Schrei in seinem Kopf, sein Körper bäumte sich auf, und er wehrte sich trotz seiner Schwäche, da der reine Zorn ihm Kraft verlieh. Er schlug mit seinem gesunden Arm auf den Dämon ein, ließ eine Faust immer wieder seitlich an seinen Kopf krachen. Aber der Dämon versenkte seine Zähne nur noch tiefer in ihn, hielt ihn fest.
Tristan wandte verzweifelt den Kopf und schlug seine Zähne in die bloße Schulter des Dämons, riss an seinem Fleisch wie ein Hund. Der Dämon heulte vor Schmerz auf, als Blut aus der Wunde drang, und Tristan biss, ohne nachzudenken, fester zu und sog das Blut auf.
Das Gefühl kehrte jäh in seinen Körper zurück, und der Schmerz, der ihn verlassen hatte, kam im Handumdrehen wieder und ließ ihn wie im Fieber erschaudern, verblasste aber dann augenblicklich. Wärme und Freude durchströmten ihn, eine Art trunkener Ekstase, und er saugte stärker, wollte verzweifelt mehr. Der Dämon rang in seinem Griff, seine Reißzähne noch immer in Tristans Kehle versenkt, aber der Schmerz war nichts. In diesem Moment war nur das Blut wichtig. Visionen einer goldenen Halle stiegen vor Tristans Augen auf, von einhundert Dämonen, die um ihn herum kämpften, von um seine Füße gestapelten Leichnamen, während er sie mit seinem Schwert abwehrte. Kraft strömte heiß in seine Adern, die Kraft des Mannes in seiner Vision, und er presste den Dämon an seine Brust, spürte, wie die Reißzähne in seinem Mund länger wurden.
»Nein!«, schrie der Dämon und schleuderte ihn von sich, wie er auch sein anderes Opfer von sich geschleudert hatte. Aber Tristan war nicht tot. Er bewegte seine Glieder, zappelte wie ein Fisch am Strand, und die Wärme breitete sich nach außen bis in seine Hände aus. Kraft und Gesundheit kehrten in seine Muskeln zurück – mehr, viel mehr, als er jemals zuvor gespürt hatte. All seine Angst und seine Schmerzen waren fort. Geblieben war nur die Wut, das heilende Feuer seines gerechten Zorns. Der Dämonenritter erhob sich mühsam, wich zurück und sagte: »Nein.«
Tristan setzte sich auf, und der Nachtwind fühlte sich auf seinem Gesicht kühl und sanft an. Er wandte sich dem Dämon zu, kauerte sich hin und griff nach einem Schwert, das einer der Briganten hatte fallen lassen. »Bleib zurück«, befahl er und richtete es auf den Dämon, wobei seine Stimme so stark war wie eh und je. Sein zerschmetterter Arm war geheilt. Er konnte spüren, wie es darin kribbelte, und auch seine Rippen schmerzten nicht mehr.
»Halt«, sagte der Dämonenritter und streckte eine Hand zu ihm aus. Die Wunde, die Tristans Zähne in seine Schulter gerissen hatten, heilte ebenfalls ab. Die Haut schloss sich wieder, während Tristan hinsah. »Ihr versteht nicht, was geschehen ist …«
»Ich lebe«, erwiderte Tristan. »Das genügt.«
»Aber das tut Ihr nicht«, sagte der Dämon und trat einen Schritt näher.
»Ihr habt sie getötet.« Er schaute zu dem toten Briganten zurück, der mit starrem Blick an dem Baum zusammengesunken war. Dieses Geschöpf hatte ihn mühelos getötet, hatte einen Pfeil aus einer Armbrust in die Schulter bekommen und kaum mit der Wimper gezuckt. »Ihr habt sie beide ohne Waffen getötet«, sagte er. »Ich habe es gesehen.« Er hob den Arm, der eigentlich zerschmettert sein sollte, aber heil war und ein Schwert hielt, zum Kampf bereit war. »Werde ich nun auch auf diese
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