Gefangene der Dunkelheit
dafür.«
»Ich denke, ich bin seit meiner Geburt mit all dem Geschmack ausgestattet, den ich brauche!« Sie stibitzte ein paar Cocktail-Kirschen und steckte sie sich in den Mund, dann hüpfte sie von ihrem Hocker. »Erwachsene sind eigenartig«, murrte sie.
»Wohin willst du?«
»Mich umsehen.«
Das gefiel mir gar nicht, und das sagte ich ihr auch.
»Komm schon, Mac, ich bin superschnell und superstark. Niemand kann mich anfassen. Ich bin diejenige, die sich um dich Sorgen machen muss, wenn du allein bist, lahme Ente.«
So gesehen, hatte sie recht.
»Gib mir Platz zum Atmen, Mac.«
Sie trat von einem Fuà auf den anderen, und der Ausdruck in ihren Augen verriet mir, dass sie losflitzen würde, ob ich es ihr nun erlaubte oder nicht. Unerwünschtes Verständnis für Rowena keimte in mir auf:Wie bemutterte man ein Kind, das viel schneller, viel stärker und wahrscheinlich auch schlauer war als man selbst. »Geh nicht zu weit weg und bleib nicht so lange, abgemacht?«
»Abgemacht.«
»Und pass auf dich auf!« Wind fuhr mir in die Haare. Dani war bereits weg.
»Wer ist das Kind?« Der Junge mit den verträumten Augen war wieder da und stellte ein Glas vor mir auf die Theke. Ich trank es mit einem Zug aus, zog eine Grimasse und schnappte nach Luft. Feuer explodierte in meinen Eingeweiden.
»Eine Freundin.«
»Gut, in Zeiten wie diesen welche zu haben.«
»Wie hast du diesen Club aufgespürt?«
»Genau wie du, kann ich mir denken.«
»Das bezweifle ich.«
»Hast du Christian jemals gefunden?«
Er spielte auf den Tag an, an dem ich x-mal im Institut für Altsprachen angerufen hatte und auf der Suche nach dem jungen Schotten war. Ich hatte mir entsetzliche Sorgen gemacht, weil Barrons mich mit dem Stimmenzauber gezwungen hatte, ihm zu verraten, dass die McKeltar ihn ausspionierten. Ich hatte Angst, dass Barrons Christian etwas antun könnte. »Ja.« Ich sah keine Veranlassung, ihm zu erzählen, dass ich Christian wieder verloren hatte â vielleicht für immer.
»Hast du ihn in letzter Zeit gesehen?«
»Nein. Du?«
»Nein. Aber ich würde ihn gern sehen.«
»Warum?« Mein Misstrauen war geweckt.
»Freunde â gut, in Zeiten wie diesen welche zu haben.«
»Was hältst du von diesem Club?« Warum war er hier? Gehörte er zu den schönen Menschen, die die Unsterblichkeit suchten?
»Leben und Tod, schönes Mädchen. So war ich schon immer. Und ich werde bis zum Ende so bleiben.«
»Was ist dein Gift? Willst du auch für immer leben?«
»Mir genügen ein bisschen Frieden und Ruhe. Ein schönes Mädchen.« Er lachte. »Ein gutes Buch.«
Ein Mann nach meinem Herzen. Ein gutes Buch weià ich sehr zu schätzen. Die Reflektion im Spiegel über der Bar weckte meine Aufmerksamkeit. Unwillkürlich spannte ich mich an. In einer Nische hinter mir saà die Graue Frau, die Händchen hielt mit dem muskulösen, gutaussehenden Kellner, der vorher mit dem Euter-Ding geflirtet hatte. Ich konnte beides sehen â was sie war und was sie ihm zeigte. Für ihn war sie eine Feenprinzessin, übernatürlich schön, unbeschreiblich sexy, und sie himmelte ihn an.
Nur ich konnte die offenen, suppenden Wunden und Geschwüre an den Händen sehen, mit denen sie ihn streichelte und ihm das Leben aussaugte. Sie hinterlieà faulige Zähne, wässrige Augen, pergamentdünne graue Haut. Sie machte kurzen Prozess mit ihm. Er würde keine Stunde mehr leben.
Meine Hand wanderte zum Holster unter meiner Jacke.
»Gib acht auf dich, schönes Mädchen«, flüsterte mir der Junge mit den verträumten Augen zu.
Ich riss den Blick von dem Spiegel los und sah ihn an. Er betrachtete meine Jacke und meine Hand, die ich daruntergeschoben hatte. Er konnte nicht wissen, wonach ich tastete.
»Was meinst du?«
Er sah über meine Schulter. »Sie sind hier, und ⦠nun, du wirst es selbst herausfinden.«
GroÃe Hände legten sich auf meine Schultern. Zwei Männer standen hinter mir. Ich spürte sie. GroÃe, elektrisierende, kraftvolle Männer.
»Wenn Sie das Ding herausziehen«, raunte einer der Männer, »nehmen wir es Ihnen ab und geben es nicht zurück. Das ist die erste Regel unseres Hauses. Dies ist neutraler Grund und Boden. Die zweite Hausregel ist: Wer eine Regel bricht,
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