Gefangene des Feuers
Erinnerung mit aller Macht zurückkehrte und ihr nicht nur bewusst machte, warum das Feuer wieder angefacht worden war. Nein, jetzt wusste sie auch wieder, warum sie in dieser Nacht nicht viel Schlaf bekommen hatte. Rafe war völlig nackt, genau wie sie selbst. Sie kuschelte sich unter die Decke, spürte ihre verspannten Schenkel und wie empfindlich sie zwischen den Beinen war. Sie konnte sich an all das erinnern, was er mit ihr getan hatte, genauso wie an ihren ungeheuren Gefühlsaufruhr. Am liebsten hätte sie sich für den Rest ihres Lebens unter der Decke versteckt. Wie könnte sie überhaupt so weitermachen wie bisher, wenn sie doch bei seinem Anblick jedes Mal an die erschütternde Intimität dieser Nacht erinnert wurde? Er hatte sie nackt gesehen, ihr seinen Körper präsentiert. Er war in sie eingedrungen, hatte an ihren Brüsten gesaugt und - Gott im Himmel - sie mit seinem Mund auf die schockierendste Weise berührt! Sie würde ihm nie wieder ins Gesicht sehen können.
Er legte Holz nach, und als die Flammen hochzüngelten, konnte sie auch wieder mehr sehen. Hastig schloss sie die Au-gen, doch seine nackte muskulöse Gestalt hatte sich vorher in ihr Bewusstsein eingeprägt.
„Komm, Liebes, steh auf!“
„Noch eine Minute“, flüsterte sie. „Es ist noch zu kalt.“
Sie hörte es rascheln, als er sich anzog, dann war es einen Moment still. Ihre Haut prickelte vor Unbehagen, und sie öffnete rasch die Augen.
Sie wusste nicht, welchen Anblick sie erwartet hatte, aber ganz sicher nicht, dass Rafe ihr Unterhemd nah an die Flammen hielt, um es zu wärmen. Er hielt es von beiden Seiten hin, um die Kälte aus dem Stoff zu vertreiben, ehe er es zusammenknüllte, damit die Hitze gespeichert wurde, bevor er es ihr unter die Decke schob. Das mollig warme Hemd fühlte sich himmlisch an auf ihrer Haut. Ein wenig verwirrt und atemlos starrte sie ihn an, als er ihr Höschen nahm und ihm die gleiche Aufmerksamkeit schenkte.
Immer noch unter der schützenden Decke, mühte sie sich in ihr Unterhemd, doch sie dachte nicht mehr daran, dass es ihr peinlich wäre, ihn anzusehen oder nackt vor ihm zu stehen. Er steckte das angewärmte Höschen unter die Decke und wandte sich sofort ihrer Bluse zu, ganz konzentriert auf seine Aufgabe, als er sie an die Flammen hielt. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, und sie wäre beinahe in Tränen ausgebrochen, als sie ihre Unterwäsche anzog. Mit seinen Händen hatte er sie in tiefes Entsetzen gestürzt, aber er hatte sich in seiner barschen Art auch besorgt gezeigt um ihr Wohlergehen. Er hatte sie besessen, ihr wehgetan, sie verwöhnt und in den dunklen Strudel der Leidenschaft mitgenommen. Trotz allem war sie schon halb verliebt in ihn gewesen. Dass er so unbefangen ihre Kleider gewärmt hatte, hatte sie überrascht und hatte etwas Grundlegendes für immer in ihr verändert. Sie spürte die Veränderung in sich, den Aufruhr, der sich dann legte, und starrte ihn mit gequältem Blick an. Sie liebte ihn, unwiderruflich, und ihr wurde bewusst, dass sich in diesen paar Sekunden ihr ganzes Leben verändert hatte.
„Hier, bitte.“ Er brachte ihr die angewärmte Bluse, und sie setzte sich auf und schlüpfte in die Ärmel, während er ihr die Bluse hinhielt. Er rieb über ihre Arme und Schultern, ehe er ihr die zerzausten Haare aus dem Gesicht strich. „Während du dich fertig anziehst, hole ich einen Eimer frisches Wasser.“
Er zog seinen Mantel an und nahm den Eimer. Ein kalter Luftzug drang in die Hütte, als er die Tür öffnete, und Annie schlang zitternd die Decke um sich. Sie konnte kaum glauben, dass es so kalt war. Hätte Rafe sie in der vergangenen Nacht nicht eingefangen, wäre sie bereits tot. Allein der Gedanke ließ sie noch stärker zittern.
Sie zog sich fertig an und war gerade dabei, sorgfältig ihre Haare zu entwirren, als Rafe mit einem neuen Schwall kalter Luft wieder die Hütte betrat. „Schneit es?“
„Noch nicht, aber es ist eiskalt.“ Er ging in die Hocke und begann, Kaffee zu machen.
Sie fragte sich, wie er sich nach dieser Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, so sachlich und nüchtern geben konnte. Doch dann wurde es ihr mit einem Schlag bewusst: Er hatte schon andere Frauen gehabt. Nichts von dem, was sie erlebt hatten, war neu für ihn. Also musste sie sich der Tatsache stellen, dass er nicht zwangsläufig ihre Gefühle teilte, nur weil er mit ihr geschlafen hatte.
Plötzlich drehte er sich um, zog sie zu sich, knöpfte seinen Mantel auf
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