Gefangene des Scheichs: Erotischer Roman (German Edition)
den Worten verbarg sich in der Tiefe eine stählerne Härte, die Victoria verschreckte. Mehr noch als es eine erhobene Faust je gekonnt hätte. Sie wusste nicht, ob sie sich hier in größter Gefahr oder größtmöglicher Sicherheit befand.
„Major Whitby täuscht sich, Sir“, sagte Victoria mit fester Stimme.
„Das dachte ich mir.“ Er reichte ihr ein Glas mit heiß dampfendem Tee, der gleichzeitig scharf und süß war und augenblicklich ihre Lebensgeister erweckte. Unablässig lächelnd brachte er Victoria dennoch – oder gerade deswegen – dazu, auf der Hut zu sein. Ein Mann, der sich mit solcher Selbstverständlichkeit in zwei Kulturen zu bewegen vermochte, war gefährlich.
„Sir, ich frage mich, was aus meinem Begleiter geworden ist.“ Ein gewagter Vorstoß. Doch er war unvermeidlich. Sie musste wissen, was mit Ali geschehen war.
Der Sheikh schloss lächelnd die Augen, schüttelte leicht den Kopf und machte eine Bewegung, als wolle er eine ebenso harmlose wie störende Fliege verscheuchen.
„Wir leben in gefährlichen Zeiten“, sagte er höflich, und Victoria versuchte sich einzureden, dass dieser Satz nicht auf eine kaum erträgliche Wahrheit hinwies.
„Major Whitby ist ein Löwe. Wenn auch ein junger Löwe. Im Kampf ist er weise und handelt vorausschauend. Doch sein Herz ist ein Organ aus Feuer.“
Victoria wollte in diesem Moment nicht über Whitby sprechen. Ja, sie hätte es vorgezogen, nie mehr über ihn sprechen zu müssen. Es genügte, dass er all ihre Gedanken beherrschte. Sie wollte nur wissen, wie es Ali ging, für den sie sich verantwortlich fühlte. Da sie jedoch keine Nachfrage wagte, schwieg sie.
„Sehen Sie … wir können sehr gut mit Verrätern fertig werden. Das ist nicht der Punkt.“
Victoria fiel ihm unbedacht ins Wort. „Wenn Sie mich hätten töten wollen, hätten Sie es längst tun können.“
Erschrocken biss sie sich auf die Lippen, denn das Lächeln des Sheikhs verschwand für einen Moment wie die Sonne hinter Wolken. Er trug eine Maske, und diese war für einen Augenblick verschwunden, doch er hatte genug Lebenserfahrung, um sie sofort wieder zurechtzurücken.
„Gewiss doch, meine Liebe. Doch weder Major Whitby noch mir ist an Ihrem Ableben gelegen. Zumal, wenn Sie keine Verräterin sind, wie Sie selbst beteuern.“
Mit eleganten Bewegungen führte er das üppig bemalte Glas Tee an seine Lippen, trank und setzte es nachdenklich wieder ab. „Ah … erzählen Sie mir von England! Wie hat man den Großen Krieg dort überstanden? Ich höre, es gibt soziale Unruhen.“
Victoria war wie vor den Kopf geschlagen. Hatte dieser Mann wirklich vor, mit ihr Smalltalk über englische Tagespolitik zu betreiben? „Leider bin ich darüber nicht informiert, Sir. Ich muss Sie um Verzeihung bitten.“
„Nun ja“, erwiderte er, als bestätige sich gerade jetzt eine von ihm längst gehegte Vermutung.
„Ich denke … wenn ich das so sagen darf, Sir … dass für meine Situation eher interessant wäre zu wissen, wie die Zustände hierzulande sind.“
Ein Strahlen ergoss sich über seine Miene. „Sie sind eine ebenso schöne wie kluge junge Frau. Sie machen Ihrem Stand Ehre, meine Liebe.“
„Ich bitte um Vergebung, Sir. Aber das ist keine Antwort auf meine Frage.“
Victoria wusste, wie beleidigend, ja unverzeihlich ihre Äußerung war, doch war sie nicht in der Situation, allzu viel Zeit auf höfliche Floskeln und Smalltalk zu verschwenden.
Offensichtlich amüsiert nickte er. War er die Katze, die mit der Maus spielt, oder der Großvater, der nachsichtig mit der törichten Enkelin umgeht?
„Nun, da Sie so direkt fragen, will ich Ihnen direkt antworten. Wir befinden uns in einem Krieg.“
Mit einem Schlag war sein Lächeln verschwunden. Seine Züge wirkten kantig, und die Falten, die sich von seiner Nase bis an die Mundwinkel zogen, wurden tief.
„Und was diesen Krieg umso unangenehmer macht, ist die Tatsache, dass wir ihn nicht nur gegen die Engländer führen, sondern auch gegen andere Stämme. Wir sind klein und schwach, doch wir haben die Herzen von Tigern. Die Vision eines geeinten Landes leitet uns. Lässt uns alle Qualen und Entbehrungen ertragen. Und wenn wir auch alle diese Vision in uns tragen, so muss ich doch gestehen, dass es zu viele gibt, die nicht willens sind, sich einem anderen unterzuordnen.“
Er nahm einen weiteren Schluck und sprach dann mit Bedacht: „Jeder Stammesfürst hält sich allein für würdig und in der Lage, die Führung in
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