Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
weiß es.“ Zähne fassten nach ihrer Unterlippe und eine Katzenzunge fuhr über ihre Oberlippe. „Das Band kämpft bereits.“
Sie streichelte seinen Nacken, denn das mochte er. „Wie kommst du zu dieser Annahme?“
„Ich bin zwar kein Medialer, Ms. Aleine, aber selbst wir tumben Tiere wissen, dass etwas vor sich geht, wenn zwei Leute dieselben Gedanken haben.“
Er klang so selbstgefällig, dass sie unwillkürlich die Augen zusammenkniff. „Das war Zufall.“
„Baby, ich konzentriere mich wohl kaum auf meinen Schwanz, wenn ich an meinen Körper denke.“
Nur jahrelange Übung konnte bewirken, dass das Verlangen in ihrem Körper jetzt nach außen nicht sichtbar wurde. „Du glaubst also, dass das Band auf einer bestimmten Ebene funktioniert?“
Noch ein äußerst verruchtes Lächeln. „Oh ja. Und ich glaube, du bist scharf auf mich.“ Er atmete tief ein. „Reines Ambrosia.“
Sie hatte seine ungewöhnlichen sensorischen Fähigkeiten völlig vergessen. Ihre Wangen wurden plötzlich sehr heiß. Aber sie fühlte sich auch … glücklich. Spürte eine seltsame Wärme im Körper. Eigenartig. Aber es stimmte. Sie war glücklich, weil er glücklich war. Sie hatten beide noch kein Wort verloren über das, was in der dunklen Stunde vor Sonnenaufgang vorgefallen war. Das mussten sie auch nicht. Sie wussten, dass er ihr mehr vertraute als jedem anderen … und dass sie eher sterben würde, als dieses Vertrauen zu missbrauchen.
Denn ganz gleichgültig, welche Bande Ashaya im Medialnet hielten, er gehörte zu ihr, und sie zu ihm.
Nein . Ein heftiger telepathischer Schlag warf sie fast zu Boden.
Sie klammerte sich an Dorian, spürte, dass er sofort bis aufs Äußerste angespannt war. „Sie ist nahe genug, um mich telepathisch zu erreichen.“ Amara konnte zwar nicht in ihren Kopf hinein, spürte aber offensichtlich, wie das Zwillingsband schwächer wurde und etwas anderes stärker. „Warte einen Moment.“ Ashaya blinzelte die Funken vor ihren Augen fort und versuchte, ihr Herz wieder ruhiger schlagen zu lassen. „Sie will deinen Tod.“ Ashayas Seele schrie auf.
„Ich kann auf mich selbst aufpassen.“ Dorian drängte Ashaya zur Tür und reichte ihr die Kaffeetasse. „Schließ dich ein und …“
„Nein. Ich muss ihr gegenübertreten.“ Sie stellte die Tasse ab.
„Das kannst du, wenn ich sie gefasst habe.“ Dorian prüfte den Wald, während er sprach, seine Nasenflügel bebten. „Wenn ich mir um deine Sicherheit Sorgen machen muss, lenkt mich das nur ab.“
Sie wurde sauer. „Ich bin nicht nutzlos, Dorian“, sagte sie. „Vielleicht erinnerst du dich, dass ich auch ohne deine Hilfe aus dem Labor entkommen bin.“
Er sah sie irritiert an. „Willst du jetzt etwa die Beleidigte spielen?“
„Du willst das einzige Wesen wegschließen, das mit Amara umgehen könnte.“ Sie stand ganz nahe vor ihm, als er sich umdrehte, um ihr ins Gesicht zu schauen. „Dein Beschützerinstinkt macht dich blind.“
„Und weiter?“
Der fehlende Widerspruch brachte sie aus der Fassung. Aber nur für einen Moment. „Das ist doch dumm. Ich könnte sie vielleicht beruhigen, bevor du Gewalt anwenden musst.“
Dorians Augen glitzerten gefährlich. „Shaya, sie hat dich gefoltert, mit dir herumexperimentiert. Ich will nicht, dass sie in deine Nähe kommt.“
Geh von ihm fort.
41
Ich weiß, es ist unfair, dich darum zu bitten, aber ich weiß auch, dass du diese Aufgabe meistern wirst. Ashaya – du bist ebenso stur wie mutig. Aber auch sie ist meine Tochter. Gehört zu uns. Ist gebrochen und dennoch meine Tochter, deine Schwester. Und immer noch ein so strahlender Geist, wie ihn keine von uns je gesehen hat.
– von Hand geschriebener Brief mit der Unterschrift „Iliana“, Oktober 2069
Diesmal war Ashaya auf der Hut und konnte den Schlag abwehren. Aber Dorian sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Sie teilt heftige Schläge aus.“
Ashaya starrte in die Schatten zwischen den Bäumen, die noch kein Sonnenstrahl erreicht hatte. „Sie betrachtet dich als Konkurrenz.“ Sie nahm ihre telepathischen Fähigkeiten zusammen und versuchte, den verwirrten Verstand ihrer Schwester zu beruhigen.
Aufhören! Aufhören!
Die geistige Stimme war aus dem Takt geraten, sie klang falsch. Amara hörte ihr nicht mehr zu. Ashaya sah Dorian an. „Sie wird sich nicht fangen lassen, wenn wir bei ihrer Ankunft zusammenstehen. Lock sie in einen Hinterhalt und bring sie her. Tu ihr nicht weh.“ Im Dämmerlicht des
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