Gefechte der Leidenschaft
zaghaften Lächeln näher.
»Wie froh ich bin, Sie hier allein zu finden, Madame Moisant! Ich wollte mich schon die ganze Zeit für mein Benehmen gestern Nacht entschuldigen.«
»Bitte, denken Sie nicht mehr daran.« Ihr Lächeln war wärmer, als es unter anderen Umständen gewesen wäre. Er war noch so jung ... »Es tut mir nur Leid, dass es so ... ausgegangen ist.«
»Ja.« Er ließ sich schwungvoll in den Lehnsessel neben ihr fallen. »Nicht, dass ich mir auch nur die geringsten Sorgen machte, müssen Sie wissen.«
Das hätte sie ihm eher abgenommen, wenn sein Gesicht nicht so bleich und seine Augen nicht so umschattet gewesen wären. Aber da er selbst das Duell erwähnt hatte, durfte sie wohl zumindest einen Versuch unternehmen, alles wieder in Ordnung zu bringen. »Manchmal passieren Dinge, die wir nicht beabsichtigt haben«, sagte sie ruhig. »Ich bin sicher, wenn Sie es Monsieur Blackford erklären würden ...«
»Niemals! Er würde mich sicher für einen Hasenfuß halten und das könnte ich nicht ertragen. Und außerdem hatte er kein Recht, mich in Ihrem Beisein abzukanzeln.«
»Wissen Sie, er fühlte sich nicht wohl, und ich bin sicher, dass ihm sein Verhalten Leid tut.«
»Das sagen Sie«, erwiderteer in bitterem Ton. »Ich glaube jedoch, er will mich aus dem Weg haben.«
»Aber ganz gewiss nicht. Was hätte er davon?«
»Freie Bahn bei Ihnen natürlich. Wenn er mich umbringt, gibt es einen Bewerber um Ihre Hand weniger.«
Dieser Gedanke war ihr nicht in den Sinn gekommen, vielleicht, weil sie Francis Dorelle nie unter diesem Gesichtspunkt betrachtet hatte. Doch irgendwo in ihrem Hinterkopt begann die Sorge zu nagen, dass jemand anderer sehr wohl daran gedacht haben könnte. Aber das war doch nicht möglich! Ein normaler Mensch würde doch nie so denken. Sie schüttelte langsam den Kopf.
»Doch, doch. Ich weiß, ich sollte so etwas nicht sagen, solange Sie noch in Trauer sind, aber ich sorge mich um Sie. Sie sind nur ein oder zwei Jahre älter als ich — was bedeutet das schon? Ich würde Sie so gern vor denen beschützen, die Sie nur ausnutzen wollen! Sie haben so etwas an sich, Madame, so etwas Zartes und doch Mutiges, das die Männer anzieht, zumindest einige. Anders ausgedrückt, man kommt auf ... gewisse Gedanken.«
Es war Lisette unangenehm, dass er sie so darstellte. Um ihn vom Thema abzubringen, sagte sie daher schnell: »Sie haben ein Gedicht für mich geschrieben, aber ich habe es immer noch nicht ganz gehört. Sie haben es wohl nicht zufällig bei sich?«
Er klopfte seine Taschen ab. »Wie nett. Ich bin ganz gerührt, dass Sie den Wunsch ... ich meine, die Geduld und das Verständnis haben, es sich anzuhören, chere Madame. Wo könnte es bloß sein ... Ach, hier ist es ja!«
Er zog ein leicht zerknittertes Blatt Papier aus einer Tasche seines Gehrocks, entfaltete und glättete es. Dann räusperte er sich und begann zu lesen.
Er hatte sich wirklich Mühe gegeben. Das gefiel Lisette und so lauschte sie schweigend und mit der Aufmerksamkeit, die jeder literarische Versuch verdiente. Dabei ließ sie ihren Blick auf den ernsten Zügen des jungen Mannes ruhen und betrachtete die Linie seines Kinns und seine dichten Brauen über den tiefliegenden Augen. Sein Mund wirkte weich, fast noch unfertig, seine Ohren standen ein wenig ab und wenn er schluckte, hüpfte sein Adamsapfel jedes Mal ein wenig auf und ab. Sein Hemdkragen hatte sich in der feuchten Luft gewellt und der Knoten des Schals, den er an Stelle eines Halstuches trug, war im Begriff, sich zu lösen. Manchmal wurde er von seinen Gefühlen so überwältigt, dass ihm beinahe die Stimme versagte. ln den vergangenen Tagen hatte er sie verärgert und in Verlegenheit gebracht, doch in diesem Augenblick erschien er ihr so liebenswert, dass ihr das Herz wehtat.
»Das war wunderschön«, sagte sie sehr freundlich, als er geendet hatte. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie es mich hören ließen, und für die Gefühle, die Sie in Ihren Versen ausgedrückt haben. Ich fürchte, ich habe sie nicht verdient, doch ich fühle mich geehrt, dass Sie sie mir gewidmet haben.«
»Diese Gefühle sind wie Sie«, sagte er einfach und blickte sie mit seinen glänzenden dunklen Augen an.
Wie wahrhaft tapfer er doch war, so dazusitzen, zu lächeln und Gedichte vorzulesen, wo er doch wusste, dass er am nächsten Morgen, wenn die Sonne aufging, die Vögel sangen und der Frühlingswind durch das Laub der Bäume strich, einem Fechtkünstler
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