Gefechte der Leidenschaft
Passage de la Bourse dafür bekannt, dass er kein Talent für die Fechtkunst besaß und auch nicht gewillt war, diesen Mangel durch hartes Training wettzumachen.
Caid überprüfte noch einmal den Sitz der Tücher, mit denen er seine Handgelenke umwickelt hatte, und steckte die Enden sorgfältig fest. Das Tuch rechts diente dem Schutz der empfindlichen Adern an seiner Waffenhand, das linke war nur zur Zierde da. Außerdem verbargen die Tücher die Narben, welche die rostigen Handfesseln hinterlassen hatten. Nicht, dass er sich dafür besonders geschämt hätte, doch er sah auch keinen Grund, damit zu prahlen.
Ihm ging der Gedanke durch den Kopf, dass er wegen seiner eindeutigen Überlegenheit mit dem Degen eigentlich Gewissensbisse haben sollte, doch die hatte er nicht. Hier ging es nicht um Fairness, sondern darum, ein Exempel an einem Kerl zu statuieren, der schlecht über Lisette Moisant gesprochen hatte.
Es würde ein schöner Tag werden. Soeben ging die Sonne auf und sandte ihre Strahlen wie Speere von Licht durch das Blätterdach der Bäume. Die morgendliche Brise trug Vogelsang heran, darunter das stetige, zweitonige Lied des Kardinals. Das Gras war taubedeckt. Dadurch konnte es schlüpfrig werden, dachte Caid und nahm sich vor, aufzupassen.
Er fragte sich, ob Lisette schon wach war. Und ob sie wohl noch einen Gedanken daran verschwendete, was er hier am frühen Morgen tat.
Endlich war Vigneaud fertig. Caid nahm seinen Platz an der Fechtbahn ein, die man mit Kalkstrichen auf dem Gras markiert hatte. Er erhob seinen Degen zum vorschriftsmäßigen Gruß, neigte kurz den Kopf und kreuzte dann die Klinge mit der seines Gegners.
Vigneaud beobachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. Caid überlegte, ob er dadurch wohl bedrohlicher erscheinen wollte. Wenn ja, hatte er sich getäuscht, denn er sah eher so aus, als sei er kurzsichtig. Hoffentlich war er es nicht wirklich. Denn ein Mann, der aufs Geratewohl mit dem Degen herumfuchtelte, konnte manchmal gefährlicher sein als einer, der wusste, wohin er stach.
Da war das Signal! Anstatt unbesonnen zum Angriff überzugehen, startete Caid zunächst eine wohl überlegte Probeattacke, um die Fähigkeiten seines Gegners auszuloten. Vigneaud konterte tapfer aber ungeschickt und schien von der Anstrengung schon ganz außer Atem. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und verbreitete einen animalischen Geruch um ihn. Ein gehetzter Ausdruck trat in seine Augen, so ganz anders als sein höhnisches
Grinsen, mit dem er über Lisette hergezogen war. Bei einem anderen Mann hätte Caid den Kampf in die Länge gezogen, damit sein Gegner ein Restchen Stolz bewahren konnte. Gegenüber Vigneaud fühlte er sich dazu nicht verpflichtet, sondern wollte die Sache lediglich rasch zu Ende bringen.
Wieder griff er an, so behände, dass der Degen glitzerte und die Stöße nur so flirrten. Stahl traf klirrend auf Stahl und für einen nervenzermürbenden Augenblick standen die Klingen Schneide auf Schneide. Dann stieß Caids Degen vor und fuhr durch Leinen und warmes Fleisch. Plötzlich Stille.
Vigneaud stöhnte und ließ die Waffe fallen. Mit der einen Hand umkrallte er seinen anderen Oberarm, aus dem ihm Blut durch die Finger sickerte. Caid trat zurück und wartete, dass der gegnerische Sekundant und der Wundarzt herankamen.
»Gute Arbeit«, sagte Nicholas, sein erster Sekundant in diesem Duell, leise, als er neben ihn trat, »aber nicht lang genug für eine angemessene Bewertung.«
»Ich wollte das Elend nicht noch verlängern.«
»Ich bezweifle, dass Vigneaud die Sache im Augenblick genauso sieht.«
»Er sollte dankbar sein, dass ich meinen Degen nicht in seine Lunge gebohrt habe.«
»Wie nachsichtig von dir.«
»Ich habe versprochen, ihn nicht zu töten.«
»Aha.«
Das klang so, als wäre es Nicholas vollkommen klar, dass es eine Anspielung auf Lisettes Bitte war.
»Nun komm schon«, sagte Titi Rosiere, sein zweiter Sekundant, mit ironischem Lächeln, »du willst uns doch wohl nicht weismachen, dass du es auf sein Leben abgesehen hattest.«
Hätte Lisette doch auch so viel Vertrauen zu ihm ge-habt, dachte Caid. Aber schließlich kannte sie ihn erst seit ein paar Tagen. »Nein, du hast Recht.«
»Das dachte ich mir. Hätte dir auch gar nicht ähnlich gesehen.« Titi blickte über die Schulter zum anderen Ende des Duellplatzes hinüber. »Wir werden jetzt jeden Augenblick erfahren, ob der Duellant weitermachen kann. Ich nehme an, du hast Satisfaktion erhalten. Sollen wir
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