Gefechte der Leidenschaft
war aber zu der Auffassung gelangt, dass er nicht das zwanghaft anzügliche Verhalten des eingefleischten Schürzenjägers zeigte. Dazu war er zu sanft, zu liebenswürdig. Und ein oder zwei Mal, als er sich unbeobachtet fühlte, hatte sie den Eindruck gehabt, als liege die Erinnerung an vergangenes Leid wie ein Schatten in der Tiefe seines Blickes. Sprach man ihn an, verschwand dieser Ausdruck sofort.
»Wir sprachen gerade von diesem geheimnisvollen Duell, bei dem ein gewisser Herr für die Misshandlung seiner Ehefrau bestraft wurde«, fuhr Lisette fort. »Wissen Sie etwas darüber? «
»Mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen.« La Roche nahm das Glas Claret entgegen, das Felix ihm reichte, trank jedoch nicht.
»Aber nichts aus erster Hand?«
Ein Lächeln huschte über sein anziehendes Gesicht. »Sie sind sehr direkt, Madame. Verdächtigen Sie mich etwa? — Aber nein, wenn Sie mich wirklich für so ritterlich hielten, würden Sie mich bestimmt nicht tragen.«
»Wir haben überlegt, ob es wohl ein maitre d'armes gewesen sein könnte.« Ihre Augen suchten Unterstützung bei Agatha und Maurelle, bevor sie weitersprach. »Er muss doch wohl ein Könner gewesen sein, sonst hätte er riskiert, dass man ihm eine Lektion erteilt anstatt umgekehrt.«
»Hoffen wir, dass andere nicht zu dem selben Schluss kommen«, bemerkte La Roche ironisch, »sonst bekommen wir in der Passage noch Besuch von den Gendarmen. Ich glaube, der Mann ist ein reicher Müßiggänger. Nur so einer hätte die Zeit gehabt, all die Duelle auszutragen, die man ihm nachsagt.«
»Gab es denn noch weitere?«
La Roche schlug sich mit dem Handballen an die Stirn. »Meine verflixte Zunge! Bitte, vergessen Sie, was ich gesagt habe.«
»Sie wissen, dass das unmöglich ist. Wie viele derartige Zusammenstöße hat es denn gegeben?«
»Es steht natürlich nichts darüber in der L’Abeille, aber ich habe von drei oder vier gehört.«
»Ein waghalsiger Gentleman«, stellte Maurelle nachdenklich fest. »Was mag er wohl damit bezwecken?«
»Wer weiß?« Während der Italiener an seinem Weinglas nippte, verbargen seine langen Wimpern seinen Blick.
Agatha schürzte die Lippen. »Dann müssen wir also raten. Wie überaus enttäuschend.«
»Richtig. Doch falls er zur guten Gesellschaft gehört«, fügte Maurelle hinzu und runzelte die Stirn, »ist er mit Sicherheit unverheiratet, denn er würde wohl kaum riskieren, seine Familie unversorgt zurückzulassen. Und außerdem muss er im Duell geübt sein oder zumindest früher viel gefochten haben, sonst wäre er nicht geschickt genug. Er dürfte auch schwerlich über vierzig sein, da er in ausgezeichneter Form sein muss.«
»Mir scheint, Sie haben eingehend über die Angelegenheit nachgedacht«, sagte der Fechtmeister und seine dunklen Augen glitzerten amüsiert.
»Es ist das Geheimnisvolle daran, verstehen Sie?«, erklärte Lisette. »Es geht einem einfach nicht aus dem Kopf.«
»Passen Sie auf, sonst werden die Leute noch sagen, Sie würden gern nachdenken.«
Mit einem schwachen Lächeln nahm sie ihre Teetasse. »Und das geht schließlich nicht, nicht war?«
Agatha beugte sich ein wenig vor und sagte: »Ich habe großes Mitgefühl mit denen, für die sich dieser Rächer mit dem Degen einsetzt, dennoch scheint mir die ganze Sache ein wenig hinterhältig. Die meisten Herren machen derartige Angelegenheiten lieber in aller Öffentlichkeit ab, und sei es auch nur, damit ihnen keiner unfaires Verhalten vorwerfen kann.«
»Genau dafür wurde der code duello mit all seinen Regeln erdacht«, pflichtete La Roche ihr mit einem Nicken bei.
»Warum also diese Geheimnistuerei? Ich fürchte, der Gentleman nimmt das Gesetz selbst in die Hand.«
»Welches Gesetz denn, Mademoiselle Agatha?«, fragte der Fechtmeister ruhig und gelassen. »Gegen die Verbrechen, die hier geahndet wurden, gibt es keine Gesetze, sondern nur allgemeine Anstandsregeln und die werden nur allzu leicht missachtet.«
Agatha widmete sich ihrer Teetasse, als sei sie zwar nicht überzeugt, habe jedoch keine Lust sich zu streiten.
In dem Moment kam Figaro aus der Küche in den Salon zurückgetrottet, wobei seine Krallen ein klickendes Geräusch auf dem Fußboden aus poliertem Zypressenholz machten. Er war auf dem Weg zu Lisette, als er sich plötzlich umdrehte und direkt auf Nicholas Pasquale zurannte. Das Hündchen legte dem Fechtmeister die Vorderpfoten auf die Knie und wedelte so heftig, dass sein Schwanz nahezu Kreise beschrieb. Und als Nicholas ihn
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