Gefechte der Leidenschaft
bekannt, dass er Paaren bei eiligen Eheschließungen behilflich ist, denn er ist selbst sehr glücklich verheiratet. Deshalb hat man die Stadt nach dem schottischen Gretna Green benannt, dem Paradies der durchgebrannten Liebespaare, ln unserem Gretna darf zwar kein Schmied Ehen schließen, dazu braucht es schon einen Friedensrichter oder Notar, doch wenn ein Pärchen es über den Fluss schafft, ohne geschnappt zu werden, können die beiden im Handumdrehen Mann und Frau sein.«
»Wie praktisch«, sagte er mit einem kleinen Lachen. »Das muss ich mir merken.«
Kurz darauf verabschiedete sich der maitre d'armes und auch Maurelle entschloss sich zu gehen. Wie üblich in New Orleans, wo man einen Gast nur ungern scheiden sieht, begleitete Lisette sie bis auf den Bürgersteig. Maurelle hängte sich bei Pasquale ein und spazierte mit ihm davon. Lisette kehrte in die Kutschendurchfahrt zurück.
Doch statt nach oben in den Salon zu gehen, betrat sie die Küche, die unter dem Junggesellenflügel lag, um mit dem Koch wegen des Mittagessens zu sprechen und den Brotpudding zu probieren, den er gerade aus dem Ofen geholt hatte. Als sie ein paar Minuten später über die untere Galerie zurückging, warf sie zufällig einen Blick durch die Kutschendurchfahrt auf die Straße.
Nicholas Pasquale hatte Maurelle vielleicht zu ihrem Stadthaus begleitet, doch aufgehalten hatte er sich dort bestimmt nicht. Er stand nämlich auf der anderen Straßenseite und sprach mit einigen von den Straßenjungen. Sie bildeten einen Kreis um ihn und lauschten aufmerksam seinen Worten.
Ein interessanter Mann, dieser Italiener, dachte Lisette. Anscheinend wirkt er ebenso anziehend auf Kinder wie auf die Damen. Sie fragte sich, ob wohl Absicht dahinter steckte.
Am späten Nachmittag, etwa zwei Stunden nach dem Essen, trat Lisette auf den Balkon an der Straßenseite, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Die Straßenjungen waren immer noch da. Sie saßen oder lagen so erschöpft auf dem Bürgersteig, als hätten sie eine mühselige Aufgabe zu erfüllen gehabt.
Ihr Erscheinen auf dem Balkon übte jedoch eine geradezu elektrisierende Wirkung auf die Jungen aus. Ein oder zwei von ihnen sprangen auf und der größere Bursche, offenbar der Anführer, weckte die Schlafenden mit einem Tritt. Dann standen alle da und starrten zu ihr hinauf.
Ein bisschen verlegen winkte Lisette ihnen zu. Im selben Augenblick kam Figaro, der ihr ständig nachlief, auch auf den Balkon. Unvermittelt machte er einen Satz an das Geländer, stieß ein kurzes, scharfes Bellen aus und begann beim Anblick seiner alten Freunde vor Aufregung zu zittern. Dann drückte er seinen Kopf durch die Eisenstäbe und schien auch noch den Rest seines kleinen Körpers hindurchzwängen zu wollen.
Es war herzzerreißend. Der Hund wollte so gerne zu den Kindern und außerdem hatte die Truppe den ganzen Tag über wohl kaum etwas zu essen oder zu trinken gehabt. Einer plötzlichen Eingebung folgend drehte sich Lisette um und ging hinunter zur Fußgängerpforte. Sie öffnete das Tor, rief die Jungen und wartete, bis sie zögernd über die Straße kamen.
Es waren sieben an der Zahl, zwischen fünf und höchstens dreizehn Jahre alt und ihre Herkunft war offenbar ebenso unterschiedlich wie ihre Hautfarbe. Sie scharrten mit den Füßen, ließen ihre Augen hin und her huschen, vermieden es aber, Lisette direkt anzusehen und hielten sich auf zwei Armlängen aus ihrer Reichweite. Ganz außer sich vor Freude hüpfte und tollte Figaro um sie herum. Einige tätschelten dem kleinen Hund den Kopf, trauten sich in Lisettes Gegenwart jedoch nicht, richtig mit ihm zu spielen.
Der Anführer war ein schlaksiger Junge mit strubbeligem braunem Schopf und immer einer steilen Falte zwischen den Augenbrauen. Er schien auf der Hut, als fürchte er, ihre Einladung könne eine Falle sein.
Sie winkte ihn heran. »Wie heißt du?«
»Squirrel, Madame. Wir ha'm nichts gemacht.« Trotzig verzog der Junge das Gesicht.
»Ich meine, wie lautet dein richtiger Name.«
Er blickte auf den Bürgersteig und versetzte einem Lehmklumpen einen Schubs mit dem Fuß. »Hab keinen anderen.«
Lisette gab es einen Stich, als ihr klar wurde, dass dieser Jungen seinen richtigen Vor- und Zunamen, so er denn jemals einen besessen hatte, längst vergessen hatte. »Und deine Freunde?«
»Das ist Faro und der hier Weed. Da drüben das ist Cotton und hinter ihm Buck und Molasses und Wharf Rat.«
»Es freut mich sehr, eure Bekanntschaft zu machen«,
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