Gefechte der Leidenschaft
Lisette zog den Hund weg, der sich drehte und wand und erneut auf seinen Feind losgehen wollte. Also hob sie den kleinen Mischling hoch und fürchtete eine Sekunde lang sogar, er wolle auch sie angreifen. Doch schließlich beruhigte er sich und nur ein leises Knurren ließ seinen kleinen Körper noch erzittern, als sie ihn an sich gedrückt hielt.
»Widerliches kleines Biest!«, stieß Moisant hervor, während er mit der Spitze seines Spazierstocks den Riss in seiner Hose untersuchte. »Das muss ich flicken lassen.«
»Seien Sie froh, dass nicht mehr passiert ist.«
»Schon, aber immerhin bin ich grundlos angegriffen worden.«
»Grundlos?«
»Nun ja, ich gebe zu, ich hätte dich nicht anfassen sollen. Aber daran siehst du, wie dringend ich mit dir reden will. Ich möchte dir sagen, dass ich Unrecht hatte und mich entschuldige.«
Lisette und Agatha blickten einander verdutzt an. »Entschuldigen?«
»Dafür, dass ich dich mit meinen Launen aus dem Haus getrieben habe. Meine einzige Rechtfertigung dafür ist die Trauer eines Vaters um seinen einzigen Sohn. Wenn du wieder zurückkommst, was ich doch sehr hoffe, verspreche ich dir, mich so ruhig und sanft zu benehmen, wie es deinem sensiblen Wesen angemessen ist.«
»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst!«
»Wie kann ich dich bloß überzeugen? Wenn ich daran denke, wie du warst, als du zu uns kamst — so jung, so süß, wie eine zutrauliche Tochter. Ich bin untröstlich, dass alles so schief gegangen ist. Ich dachte, du würdest für immer zu unserer Familie gehören und bis an dein Grab unseren stolzen Namen tragen. Dass wir nun getrennte Wege gehen sollen ... das ist geradezu niederschmetternd.«
»Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, sofern Sie niederschmetternd für Ihre Brieftasche meinen«, erwiderte Lisette mit mühsam unterdrückter Empörung. »Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie gedroht haben, mich wie eine Verrückte wegzusperren, wenn ich Ihnen nicht mein Vermögen überschreibe? Nein, danke. Ich bin nicht mehr jung und zutraulich, dafür haben Sie und Ihr Sohn schon gesorgt.«
»Du hast dich nie auch nur einen Deut um die Familie deines Mannes oder um mich als ihr Oberhaupt geschert. Du hast uns verlassen, als seien wir wertlos oder hätten niemals eine Rolle in deinem Leben gespielt.«
»Wir, Monsieur? Sie reden, als sei Ihr Sohn noch am Leben.«
»In meinem Herzen wird er für immer leben — für immer!« Bei dem Gedanken an seinen Verlust funkelten seine schwarzen Augen mit den gelblichen Augäpfeln vor Hass.
»Mag sein. Aber Sie können nicht von mir erwarten, dass ich lebe, als sei er noch unter uns. Das ist unnatürlich.«
»Unnatürlich ist es, dass eine Frau selbst über ihr Vermögen verfügt oder dass sie sich der Obhut ihres Schwiegervaters entzieht, so wie eine Schlange ihre alte Haut abstreift. Du warst eine Moisant und du wirst immer eine Moisant bleiben.«
Auf merkwürdige Weise tat er Lisette beinahe Leid. Etwas weniger aufgebracht antwortete sie: »Ich bin ich selbst, Monsieur. Witwen dürfen irgendwann ihre Trauerzeit beenden. Zu gegebener Zeit können sie sogar wieder heiraten.«
»Wieder heiraten? Wie kannst du nur so etwas sagen? Das befleckt die Erinnerung an meinen Sohn!«
Agatha trat einen Schritt näher, um zwei Frauen, die anfingen herüberzustarren, die Sicht zu versperren, und ergriff das Wort. »Monsieur, bitte. Hören Sie sich doch nur selbst einmal zu. In Indien verbrennt man Witwen lebendig auf den Scheiterhaufen ihrer toten Ehemänner, das habe ich zumindest gehört. Sie klingen ja fast, als käme Ihnen solch ein Brauch entgegen!«
»Warum auch nicht? Wozu ist die Frau meines Sohnes denn jetzt noch gut? Ich war mit ihr einverstanden, weil man damit rechnen konnte, dass sie bald allein in der Welt stehen würde, und wegen des Vermögens, das sie unserer Familie einbringen würde. Doch nun hat sie mir keinen Erben geschenkt, hat mir nicht die gesetzliche Verfügungsgewalt über ihre Mitgift gegeben, hat mir keine Ehre gemacht ...«
»Alles Sünden, für die sie den Tod verdient?« Agatha schien entsetzt, als könne sie nicht glauben, was sie da hörte.
»Ich sage Ihnen doch, sie hat verhindert, dass mein Name unsterblich wird. Weil sie nicht mit meinem Sohn ins Bett gehen wollte, wird mein Name mit mir sterben.«
»Nicht mit Ihrem Sohn ... Das ist doch unglaublich!«
»Ach ja?« Moisants Stimme bebte vor Wut, während er einen verstohlenen Blick auf die Gruppen von Umstehenden warf, die bereits
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