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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Ortsrand, da bin ich ziemlich sicher. Das draußen am Kap ist auch im Winter bewohnbar, es hat ursprünglich einem Ehepaar aus Boston gehört, das sich hier zur Ruhe setzen wollte, und die haben natürlich dafür gesorgt, daß es winterfest gemacht wurde. Aber dann ist der Mann gestorben, und sie ist nach Boston zurückgegangen und hat das Haus an Julia Strout verkauft. Die vermietet – Julia? Muriel hier … Ja, mir geht’s gut. Ich weiß allerdings nicht, ob mein Wagen heut morgen anspringen wird. Hast du die Kälte letzte Nacht gut überstanden? … Gut. Gut. Hör mal, Julia, hier bei mir ist eine Frau mit einem kleinen Kind, die eine Unterkunft für länger sucht, und ich hab ihr von dem winterfesten Cottage drüben in Flat Point Bar erzählt … Ach, tatsächlich? Was meinst du, kannst du da drüben die Heizung ein bißchen aufdrehen? Ist doch bestimmt kalt da draußen am Kap bei dem Wind, der vom Meer reinkommt … Man muß ja an das Baby denken …«
    Sie sprachen noch ein Weilchen miteinander, dann legte die Dicke auf und sah mich an. »Sie hat gesagt, daß sie Sie gestern im Laden gesehen hat«, bemerkte sie.
    Ich sah die große, kräftige Frau in dem braungrauen Parka vor mir, fragte mich, ob die Motelwirtin sie zurückrufen würde, sobald ich abgefahren war, um ihr zu erzählen, was sie gesehen oder zu sehen geglaubt hatte, und dachte daran, gleich weiterzufahren, in den nächsten Ort oder den übernächsten.
    »Kommen Sie, ich nehm Ihnen das Kind ab, dann können Sie in Ruhe Ihren Wagen starten und ein bißchen warm werden lassen«, sagte die Wirtin. »So ein Kleines kann man bei der Kälte heute nicht einfach ins kalte Auto setzen. Die würde sich ja die kleinen Zehen abfrieren.«
    Ich bedankte mich und ging auf den Parkplatz hinaus, um den Wagen in Gang zu bringen. Die ersten drei Versuche waren erfolglos, aber beim vierten gab der Motor immerhin ein schwindsüchtiges Hüsteln von sich. Ich trat mit aller Kraft aufs Gaspedal und versuchte, den Wagen auf Touren zu bringen. Durch die Windschutzscheibe konnte ich nichts sehen, das Glas war völlig vereist. Ich ließ den Motor laufen, um ihn warm werden zu lassen, während ich draußen das Eis von allen Fenstern kratzte. Die Sonne strahlte, hatte aber bei dieser klirrenden Kälte keine Wirkung.
    Als es im Wagen etwas warm geworden war, packte ich meine Reisetasche und warf sie in den Kofferraum. Dann ging ich ins Büro zurück. Die Wirtin hielt Caroline mit einem Spiel bei Laune, bei dem sie die Arme meines Kindes hoch in die Luft schwang. Jedesmal, wenn sie das tat, krähte Caroline vor Vergnügen. Es gab mir einen Stich. Ich hatte mein Kind seit Tagen nicht mehr zum Lachen gebracht, ich hatte seit Tagen nicht mehr mit ihm gespielt.
    Die Wirtin drehte sich herum und legte mir Caroline widerstrebend in die Arme. »Ich hab selbst drei, sie sind inzwischen in der Schule. Aber sie fehlen mir, meine Kleinen. Wie alt ist sie?«
    »Sechs Monate«, antwortete ich.
    »Sie wissen, wie Sie ins Dorf zurückkommen?«
    Ich nickte.
    »Gut. Wenn Sie ins Dorf kommen, sehen Sie gegenüber vom Laden vier alte Kolonialhäuser. Das mit den grünen Läden und der grünen Tür gehört Julia Strout. Sie wartet schon auf Sie.«
    »Danke vielmals, daß Sie das für mich angeleiert haben«, sagte ich.
    Die Wirtin zündete sich eine neue Zigarette an.
    »Vergessen Sie nicht den Schlüssel«, sagte sie.
    Ich nahm den Zimmerschlüssel aus meiner Manteltasche und legte ihn auf den Tresen.
    Ich umrundete das Oval des Gemeindeparks und hielt vor dem einzigen der vier Häuser, das grüne Läden hatte. Es war das ansehnlichste in der Gruppe mit einer großzügigen Veranda, die um das ganze Haus herumging. Ich ließ Caroline im Auto, stieg die Treppe zur Veranda hinauf und klopfte an die Tür. Die Frau, die mir öffnete, war bereits für den Ausflug in die Kälte angezogen, sie trug ihren Parka, dazu Mütze und Handschuhe und eine dicke blaue Kordhose, die sie in ihre Stiefel gestopft hatte. Sie gab mir die Hand und sagte: »Julia Strout. Ich habe Sie gestern im Laden gesehen.«
    Ich nickte und nannte ihr meinen neuen Namen. Er blieb mir beinahe im Hals stecken. Ich hatte den Namen vorher noch nie laut ausgesprochen.
    »Sie haben Glück gehabt, daß Ihr Wagen angesprungen ist«, bemerkte sie, während sie die Tür hinter sich absperrte. »Die Schule mußte heute ausfallen, weil die Busse gestreikt haben. Ich schlage vor, wir fahren mit Ihrem Auto, wenn Ihnen das recht ist. Ich hab

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