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Gefuehlschaos inklusive

Gefuehlschaos inklusive

Titel: Gefuehlschaos inklusive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Richling
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einzuwenden, solange dabei keine Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden? Seine Hand fühlt sich warm an, oder ist es mein Gesicht? Ich schließe für einen Augenblick die Augen und genieße seine Berührungen. Wieso ist mir nicht früher aufgefallen, dass ich Herrn Ruhland mag? – Weil er dein Chef ist. Und Chefs eignen sich nicht als Liebhaber. Sobald er genug von dir hat, bist du deinen Job los. – Das würde er nie tun! – Und ob!
    Erschrocken über meine Erkenntnis öffne ich die Augen. Herr Ruhland nähert sich meinem Gesicht und dies lässt nur einen Schluss zu: Er will mich küssen!
    Ich will es auch! Aber diese innere Zerrissenheit macht mich ganz konfus. Was soll ich nur tun? Das geht mir alles viel zu schnell. Ich brauche noch ein paar Minuten, um darüber nachzudenken, ob es richtig ist, ihn jetzt zu küssen. Wo ist der Schalter, mit dem ich die Zeit anhalten kann? Doch den brauche ich nicht mehr, denn Herr Ruhland stellt sein Vorhaben mit einem Mal ein. Vielleicht hat er bemerkt, dass ich mir noch unschlüssig bin.
    „Claudia, ich mag dich sehr, sag mir, wenn es dir zu schnell geht.“
    Mo … moment mal! Er hat mich geduzt. Ja, ich habe es ganz genau gehört. Soll ich jetzt Christian zu ihm sagen? Sicher geht es mir zu schnell, aber selbst wenn er mir zwei Jahre Zeit geben würde, wäre es mir nicht langsam genug. Denn diese Frage, ob ich meinen Chef küssen darf, kann ich einfach nicht abschließend klären. Auf keinen Fall möchte ich meinen Arbeitsplatz deswegen aufs Spiel setzen und schon gar nicht möchte ich mein Herz an jemanden verschenken, der es womöglich nicht ernst mit mir meint. Können wir nicht eine Münze werfen? Nun antworte ihm schon! Er sieht mich an wie Mogli, der sich im Dschungel verlaufen hat. Jetzt würde ich ihn gern an meine Brust drücken und trösten. Stattdessen schaue ich verwirrt in sein Gesicht und suche dort nach Antworten. Er wertet dies wohl als Zeichen meines Einverständnisses oder als stumme Leidenschaft, jedenfalls nähert er sich mir wieder und ich weiche nicht zurück. Falls ich eine Chance hatte, den Kuss zu verhindern, dann habe ich sie gerade verstreichen lassen. Seine Hand zieht meinen Kopf zu sich heran. Kaum berühren sich unsere Lippen, gleitet seine Zunge sanft in meinen Mund. Wir küssen uns zärtlich – ganz leicht und behutsam. Als wären wir zerbrechliche Ware. Mir kribbelt es bis in die Zehenspitzen und nichts ist mehr real. Es ist wie im Märchen. Nur dass der Prinz mein Chef ist und atemberaubend gut küssen kann.
    Halt! Das geht nicht! Endlich wird mir klar, dass es falsch ist, was ich hier mache. Seinen Chef darf man verehren, man kann ihn respektieren und ihn schätzen, aber auf keinen Fall darf man ihn küssen. Bestürzt über mich selbst, drücke ich ihn von mir weg.
    „Nein, es ist nicht richtig“, sage ich verstört. Ich suche hastig in der Dunkelheit nach meiner Tasche und öffne die Wagentür. Ohne ein weiteres Wort flüchte ich aus dem Auto.
    „Claudia!“, ruft er mir hinterher, aber ich habe nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich wegzulaufen.

 
Die Einladung
     
    Am nächsten Morgen gehe ich mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit. Wie soll ich Herrn Ruhland gegenübertreten? Soll ich einfach so tun, als leide ich unter einer plötzlichen Amnesie? So wäre es mir am liebsten. Doch das wird er sicherlich nicht gelten lassen.
    Kaum habe ich mein Büro betreten und es mir auf meinem Stuhl bequem gemacht, betritt er mein Zimmer. Meine Gelenke versteifen sich, als er schweigend die Tür schließt. Er zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich mir wortlos gegenüber. Nun schauen wir uns stumm in die Augen, getrennt durch die Tischplatte meines Schreibtischs. Ich hoffe, dass irgendwas passiert, zum Beispiel könnte das Telefon klingeln oder jemand zur Tür hereinkommen. Aber es passiert nichts dergleichen. Das Telefon bimmelt fünfundneunzig Prozent des Tages ununterbrochen. Doch wenn man es sich wünscht, gibt es keinen Mucks von sich. Das ist doch eine Verschwörung!
    „Magst du mir nicht erklären, was deine plötzliche Flucht gestern Abend zu bedeuten hatte?“
    Ich schnappe mir meinen Radiergummi und drücke kräftig auf ihm herum. Als könnte ich die Erklärung, die ich meinem Chef schuldig bin, aus ihm herausquetschen. Los, raus mit der Sprache, du Gummiding!
    „Herr Ruhland, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …“
    „Christian – ich heiße Christian, okay?“
    Fast wirkt er enttäuscht, dass ich nicht selbst

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