Gefuehlschaos inklusive
dafür bluten. Ich werde ihn über Glasscherben laufen lassen und anschließend an den Zehen kopfüber aufhängen. Immer noch stehe ich wie Falschgeld im Raum und kann mich nicht dazu entschließen, mich an den Tisch zu setzen.
„Wir können natürlich auch im Stehen essen, wenn dir das lieber ist“, witzelt Oliver und lächelt wie John Wayne vor seiner ersten Eroberung des Wilden Westens. Ich gebe zu, ein Essen im Stehen hätte gewisse Vorzüge. Diese ganze Atmosphäre lädt einen ja praktisch dazu ein, sich zu vergessen. Ich möchte aber die Kontrolle über mich behalten und das geht am besten, wenn ich stehen bleibe.
Oliver macht eine erneute Geste zum Stuhl, vor dem er immer noch steht. „Du kannst mir glauben, dass mir das alles hier auch sehr suspekt vorkommt. Stefan hat mich genauso im Unklaren gelassen wie dich. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich ihm dankbar dafür bin. Wir müssen wirklich reden. Findest du nicht auch?“
Womit er dann schon der Zweite ist, mit dem ich reden muss. Das wird langsam eine Belastungsprobe. In meinem nächsten Leben werde ich Nonne. Keine Männer, keine Probleme, nur der liebe Gott und ich. Ich entschließe mich, Olivers Aufforderung nachzukommen, und setze mich wortlos auf den Stuhl, den mir Oliver zurechtrückt. Als wir uns gegenübersitzen, nimmt er meine Hand. Diese unerwartete Geste lässt mir das Blut ins Gesicht schießen.
„Claudia, ich möchte gar nicht lange drum herumreden. Als ich im ‚Conrad‘ mit dir zusammengestoßen bin, da hat es mich sofort erwischt. Veronica muss es gleich aufgefallen sein, denn sie gab mir keine Gelegenheit mehr, dich noch einmal anzusprechen.“
„Ist sie deine Freundin?“, frage ich neugierig und stelle fest, dass ich gerade meine Stimme wiedergefunden habe.
„Nein! Das heißt, wir waren mal … Ach, das ist schwierig zu erklären.“
„Oh, ich habe Zeit. Zufällig den ganzen Abend.“ Jetzt will ich’s aber wissen.
„Also, es gibt da eigentlich gar nichts zu erklären. Mal waren wir ein Paar, dann wieder nicht. Aber eigentlich will ich nichts weiter, als dich näher kennenlernen. Veronica spielt in meinem Leben keine Rolle mehr. Aber vielleicht erklärst du mir mal, wieso du mit deinem Chef ins Theater gehst.“ Herausfordernd sieht er mich an. Gut gemacht! Um von seinen Untugenden abzulenken, steuert er das Thema Richtung Christian. Sehr geschickt, aber so einfach geht das nicht. Ich will es genauer wissen.
„Erst hätte ich gern gewusst, warum du mit Veronicains Theater gehst?“
„Weil ich … aus Mitleid“, gibt er seltsamerweise zur Antwort. „Ich sagte ja, das ist eine lange Geschichte. Wir sind getrennt, aber sie kann sich einfach nicht damit abfinden. Sie tut mir halt leid. Fürs Erste solltest du mir einfach glauben, dass sie mir gar nichts mehr bedeutet.“
In diesem Augenblick trabt Stefan heran. Schnell entziehe ich Oliver meine Hand und zupfe verlegen an meinen Ärmeln. Er hält eine Flasche Champagner und zwei Gläser in den Händen und wirkt verblüfft.
„Interessant! Das ging ja schneller, als ich dachte, wenn ich die Sachlage richtig zu deuten verstehe“, kombiniert er und schenkt uns am Tisch die Gläser ein.
„Also bis jetzt sind wir noch keinen Schritt weiter“, berichtigt Oliver seinen Bruder, „aber ich hoffe, dass sich das gleich ändern wird, wenn du dein gut duftendes Mahl servierst. Möglicherweise könnte das Claudia etwas entspannen.“
„Na, dann werde ich mal schnell zurück in die Küche flitzen“, erwidert Stefan hocherfreut und zwinkert Oliver zu.
Stecken die beiden vielleicht doch unter einer Decke?
„Kann es sein, dass du und Stefan vielleicht einen Plan ausheckst, von dem du mir nur nichts sagen willst?“, frage ich misstrauisch geworden.
„Stefan und ich planen, die Firma künftig zusammen zu leiten, aber wir haben nicht beide vor, dich zu erobern. Allerdings habe ich, was dich angeht, auch Pläne, mit denen aber Stefan nicht das Geringste zu tun hat.“
Er hat Pläne mit mir? Möchte ich wissen, welche? Noch ist es nicht zu spät. Ich könnte aufstehen und mich aus dem Staub machen.
„Was schweben dir für Pläne vor?“, frage ich argwöhnisch, ein Auge auf die Tür gerichtet.
„Nicht doch, Claudia. Bevor ich dich nicht verführt habe, lasse ich doch nicht die Hosen runter.“
Diese Direktheit bin ich nicht gewohnt. Meine Ohren werden heiß und ich überlege, was ich darauf erwidern soll. Bin ich jetzt verklemmt oder was? Oliver erhebt sich und geht um
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