Gefuehlschaos inklusive
Arbeitsplatz kostet.
Ich krieg ihn nicht mehr raus!
Donnerstagmorgen wache ich reichlich übermüdet und unausgeschlafen auf. Heute muss ich früher als gewohnt aus dem Haus, um es mit der U-Bahn pünktlich ins Büro zu schaffen. Meinen Wagen musste ich bei Stefan stehen lassen, da mein Alkoholpegel kriminell hoch war. Nach einer guten Stunde schläfriger Restaurationsarbeit begutachte ich mich im Spiegel und stelle fest, dass ich mir diesen Aufwand hätte sparen können. Ich sehe einfach grauenvoll aus. Meine Ränder unter den Augen sind so tief wie das Tal der Toten. Zu allem Übel habe ich auch noch die Zeit vollkommen aus den Augen verloren und stelle fest, dass ich es unmöglich noch pünktlich ins Büro schaffen werde. Was ist nur mit mir los? Ich habe mich noch niemals verspätet. Christian wird mir den Kopf abreißen. Ich bestelle mir ein Taxi und lasse mich bequem chauffieren. Das nenne ich Luxus. Nachdem ich direkt vor den heiligen Toren abgesetzt wurde, hetze ich zu den Aufzügen. Ziemlich außer Atem erreiche ich meinen Schreibtisch. Rasch schlüpfe ich aus meinem Mantel und kremple die Ärmel hoch. Mit etwas Glück hat keiner meine Verspätung bemerkt.
„Schön, dass du uns auch schon beehrst.“
Christian steht in der Tür und sieht verärgert aus. Kann man sich denn hier nicht mal unbemerkt verspäten?
„Entschuldige bitte meine Verspätung, aber ich habe ...“
Barsch werde ich unterbrochen.
„Erspar dir deine Ausflüchte. Ich will sie nicht hören. Es wäre schön, wenn du dich an die Arbeit machen könntest.“
Wütend knallt er einen Batzen neuer Akten auf meinen Tisch und macht sich schweigend davon.
Wow! Und das alles wegen einer halben Stunde Verspätung? Was wäre wohl bei einer Stunde passiert oder gar zwei?
Ich mache mich an die Arbeit und versuche, nicht weiter über Christians Auftritt nachzudenken. Meine Befürchtungen werden offensichtlich zur Realität. Christian ist verletzt und macht mir den Garaus. Meine Stunden als seine Assistentin sind vermutlich gezählt.
Mittags telefoniere ich mit Sandra und berichte ihr sämtliche Vorkommnisse der letzten Stunden. Ich bin froh, dass sie so eine gute Zuhörerin ist, denn ich benötige dringend eine Therapiestunde bei ihr. Als ich sämtlichen Ballast abgeworfen habe, fühle ich mich besser.
„Und was willst du jetzt machen?“, fragt Sandra mich. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie mir das sagen könnte, aber meine Entscheidungen muss ich wohl alleine treffen. Soviel ist klar.
„Keine Ahnung. Vielleicht suche ich mir einen neuen Job.“ Ich weiß, dass Sandra eigentlich etwas anderes von mir hören wollte, aber mir ist selbst nicht klar, wie es weitergehen soll. Sie hat es da einfacher. Ihr Henry scheint ein Volltreffer zu sein. Ein Medizinstudent mit guten Perspektiven und verständnisvoll wie ein Beichtvater. Schließlich akzeptiert er Sandras Macken und das sind gewiss nicht wenige. Warum hab ich nicht so ein Glück?
In diesem Augenblick betritt Christian das Zimmer.
„Sandra, ich muss jetzt Schluss machen. Ich meld mich wieder.“ Eilig lege ich den Hörer auf und versuche, den Kugelschreiber aus dem Haar zu ziehen, den ich mir während des Telefonats um eine Haarlocke gedreht habe. Christian steht gereizt im Raum und sieht mir dabei zu, wie ich mir den Kugelschreiber immer weiter ins Haar knote.
„Verflucht noch mal! Ich krieg ihn nicht mehr raus!“
„Würdest du dich mit den Dingen beschäftigen, die ich dir aufgetragen habe, dann hättest du keine Zeit für solchen Unsinn“, stellt er grimmig fest und knallt mir den nächsten Stapel Ordner auf die Tischplatte. Aufgebracht springe ich auf, sodass mein Stuhl schallend gegen die Wand rollt.
„Jetzt reicht’s mir! Ich lass mich nicht so behandeln!“ Mit geballten Fäusten beherrsche ich mich mühselig, Christian nicht wie eine Raubkatze anzuspringen und sein Gesicht zu zerkratzen. Sein Ärger scheint plötzlich verraucht und gleichmütig lehnt er sich gegen den Türrahmen. Allein für diese Haltung würde ich ihn gern in den Schwitzkasten nehmen und ihm solange die Luft abdrücken, bis er bereut, überhaupt mein Büro betreten zu haben.
„Warum bist du plötzlich so barsch zu mir?“, frage ich ihn und verfluche mich im gleichen Augenblick dafür. Denn im Grunde kenne ich die Antwort. Wäre ich an seiner Stelle, würde ich mich vielleicht nicht anders verhalten.
„Das Gleiche könnte ich dich auch fragen“, antwortet er mir in einem
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