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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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dem Pier hin und her, betätigte immer wieder Gas und Bremse, bis die Rei fen durchdrehten und der Geruch von verbranntem Gummi aufstieg. Ich wollte kei nen Zentimeter Holz auslassen, Murphy zerquetschen wie ein lästiges Insekt. Aber ich hörte keinen Aufprall mehr und spürte keine Erhebung unter dem Wagen.
    »Wo ist er hin? Wo zum Teufel ist er?«, fragte ich.
    »Ist doch egal. Bloß weg hier.«
    Murphy musste außer Gefecht sein. Tot, bewusstlos oder ins Wasser gestürzt. Sonst hätte er auf uns geschossen.
    Devi schlug mir auf den Arm. »Was hockst du hier rum? Fahr schon. Fahr, fahr, fahr!«
    Ich packte sie am Haar. »Hör auf damit. Wer ist noch auf dem Boot?«

    Sie riss verblüfft den Mund auf. »Bist du nicht ganz dicht?«
    »Toby Price?«
    »Nein, der ist weg.«
    »Wann?« Ich griff noch fester zu.
    Sie versuchte, meine Finger zu lösen. »Vor einer Dreiviertelstunde, um das Geld zu holen.«
    »Also noch mal: Wer ist auf dem Boot?«
    »Der Schwar ze, der plötzlich aufgetaucht ist.«
    »Wo ist PJ?«
    »Murphy hat ihn mitgenommen. Bevor er weg ist, hat Price gesagt, er soll auf dem Boot keinen Dreck machen.«
    »Dreck? Du meinst, wenn er PJ umbringt? Und als Marc kam …«
    »Waren nur noch ich und Murphy auf dem Boot. Lass mich los.«
    Wohin mochte Murphy PJ gebracht haben? Ich konnte nur hoffen, dass er ihn nicht ins Meer geworfen hatte. Und immer noch keine Spur von Marc. Ihm musste was zugestoßen sein.
    Ich warf ei nen Blick zum Ufer, wo Jesse auf sei nen Bruder wartete. Besser nicht daran denken, sonst drehte ich noch vollends durch und nützte niemandem mehr. Ich musste durchhalten.
    Ich riss die Tür auf. »Bin gleich wieder da.«
    »Was?«
    Vorsichtig setzte ich den Fuß auf das Holz des Piers, aber niemand schnappte nach meinem Knöchel. Nur der Wind heulte. Murphy lag also nicht unter dem Wagen und spielte Kap der Angst. Ich fischte mir einen Schläger aus Marcs Golftasche, die auf der Ladefläche lag.

    »Marc ist unten auf dem Boot«, sagte ich. »Ist er verletzt?«
    Sie glotzte mich ungläubig an. »Du lässt mich hier?«
    »Ich bin gleich wieder da. Ist er verletzt?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Bin gleich wieder da. Bleib ganz ruhig, es kommt alles in Ordnung.«
    Den Golfschläger wie eine Keule schwingend, rannte ich die Treppe zum Landungssteg herunter. Der Wind brannte mit tausend Nadelstichen auf meinen Händen und in meinem Gesicht. Unter mir toste das Wasser. Nach fünf Schritten sank mir der Mut. Ich brauchte Hilfe, aber auf Devi konnte ich nicht zählen. Also weiter. Die unteren Stufen der Treppe waren beweglich angebracht, damit sich der Landungssteg im Rhythmus der Gezeiten heben und senken konnte. Ich fühlte mich, als hätte man mich ohne Sattel auf ein galoppierendes Pferd gesetzt.
    Als ich den Blick hob, erwartete mich eine unangenehme Überraschung. Die Jacht hatte sich vom Landungssteg gelöst und begonnen, sich langsam um sich selbst zu drehen. Das Meer packte sie und warf sie gegen den Steg. Der Glasfaserrumpf ächzte und stöhnte.
    Ich legte die Hand um den Mund. »Marc!«
    Die Stufen bockten auf den Wellen, und der Aufprall des Bootes brachte mich vollends aus dem Gleichgewicht. Ich griff nach dem Geländer, rutschte aus und fiel rücklings auf die Treppe. Der Golfschläger entglitt mir, und ich hörte mein Mobiltelefon bedenklich knacksen. Es war wie auf einer Achterbahn.
    Dann legte Devi oben den Gang ein und fuhr los.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte ich zurück auf
den Pier. Der Pick-up raste auf die Küste zu. Viel zu lange stand ich da und starrte der entschwindenden Devi nach.
    Schließlich riss ich mich zusammen. Jesse wartete am Ufer. Wenn er begriff, was geschehen war, würde er mich holen kommen.
    Um mich herum herrschte undurchdringliche Finsternis. Der Wind zerrte an mir, und außer dem immer leiser werdenden Motorengeräusch hörte ich nur das Scheppern und Klirren von Winden und Kran. Von Murphy war nichts zu sehen. Vermutlich hatte ich ihn vom Pier gefegt. Ich spähte über die Kante des Piers auf den Landungssteg. Die Jacht schaukelte wild, der Bug schrammte an den Pontons des Stegs entlang und drehte dann ab. Die Flut lief mit aller Macht auf. Länger als eine Mi nute würde das Boot dort nicht mehr liegen. Falls Marc an Bord war, musste ich ihn jetzt finden.
    Ich warf erneut einen Blick zum Ufer, wo die Heckleuchten des Pick-ups zur Größe von Stecknadelköpfen geschrumpft waren. Devi hatte den Strand fast erreicht. Mit angehaltenem Atem wartete

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