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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Geräteschuppen auf. Daneben parkte ein Pritschenwagen mit Bohrrohren, hinter dem ich in Deckung ging.
    In der Dunkelheit trat ich auf ei nen großen Schlauch, der unter meinem Gewicht nachgab. Ich stolperte und prallte gegen eine Ventilbaugruppe.
    Mühsam kletterte ich auf die Ladefläche und kauerte mich neben die Bohrrohre. Der schwere Stahl fühlte sich kalt an. Vor mir lag eine Kettenrohrzange, ein schweres Werkzeug mit langem Griff, an dessen Ende eine Art Fahrradkette angebracht war. Die Besatzungen der Ölplattformen verwendeten sie als Schraubenschlüssel, aber ich hatte eher eine Peitsche im Sinn.

    Die Ölpumpe am Rand des Piers stöhnte und ächzte. Der Schwingarm hob sich sechs Me ter hoch in die Luft und senkte sich, wie eine Gottesanbeterin, die sich immer wieder zum Wasser neigt, um zu trinken.
    Ich hörte Murphy heranstürmen. Als er sich dem Pritschenwagen näherte, fiel er in Schritttempo. Ich griff nach der Kettenrohrzange und suchte den Pier nach einem Fleck ab, wo ich sicher landen konnte. Dabei entdeckte ich den Schlauch, über den ich gestolpert war.
    Nur war es gar kein Schlauch. Es war PJ, der mit dem Gesicht nach unten in der Nähe des Pritschenwagens lag. Mit den offenen Converse-Tennisschuhen sah er aus wie ein kleiner Junge.
    Mir stockte der Atem. Unfähig, den Blick abzuwenden, hockte ich auf der Ladefläche und knirschte mit den Zahnstümpfen, um nicht laut herauszuschreien. Seine Cargohose schlotterte ihm um den Hintern, was darauf schließen ließ, dass der Reißverschluss offen stand.
    Dieser Mistkerl. Dieser Abschaum von Murphy.
    Jetzt packte mich die Wut. Murphy war auf der anderen Seite der Ladefläche stehen geblieben. Er wusste, dass ich in der Nähe sein musste. Ich hob die Kettenrohrzange auf, und die Kette schleifte scheppernd über die Ladefläche.
    »Komm lieber freiwillig da raus!«, rief er. »Ich finde dich sowieso.«
    Seine Stimme bewegte sich. Ich hielt die Luft an.
    »Willst du es schnell oder auf die harte Tour? Du hast die Wahl.«
    Als er hinter der Ladefläche hervortrat, schimmerte in seiner rechten Hand ein Revolver. Er bückte sich und packte PJ am Knöchel.

    »Soll ich dir zeigen, was passiert, wenn ich noch länger nach dir suchen muss?«
    Er fing an, PJs Körper wegzuschleifen, wobei er sich immer wieder umsah. Dann entdeckte er mich. Wut, Angst und Kummer verdichteten sich zu einer explosiven Mischung. Ich stand auf, hob die Zange über mei ne Schulter und schwang die Kette.

39. Kapitel
    Drei Minuten.
    Wenn ich zurückrechne, weiß ich, dass von dem Augenblick, als Marc durch das Tor brach, bis zu diesem Moment mit Murphy nicht mehr als drei Mi nuten vergangen waren. Um ein Bier zu trinken, brauche ich länger.
    Aber in jener Nacht ließ mich der Adrenalinrausch alles vergessen. Niemals hätte ich den Ablauf der Ereignisse rekonstruieren können. Dabei ging es um Leben und Tod.
    Murphy trat um die Ladefläche herum. Die Kette traf ihn zwischen die Schultern und ließ ihn vor Schmerz taumeln. Ich holte erneut aus und zielte auf die Waffe in sei ner Hand.
    Viel zu hektisch.
    Er hätte mich töten sollen, als ich ihn verfehlte, es wäre ein sicherer Treffer gewesen. Aber die Kette hatte sich um sei nen Hals gewickelt, und er griff instinktiv danach. Ich zog, so fest ich konnte, um ihm die Luft abzuschnüren.
    Die Waffe schwenkte in meine Richtung, Murphys leerer Blick richtete sich auf mich. Ohne die Kettenrohrzange loszulassen, sprang ich von der Ladefläche. Er gurgelte und zerrte an der Kette, die sich in den Nieten seines Hundehalsbands verfangen hatte.
    Für den Augenblick hatte ich ihn im Griff, aber ich wusste, dass ich ihn nicht halten konnte. Der Mann besaß enorme
Kräfte. Ebenso gut hätte ich versuchen können, eine F/A-18 am Start zu hindern, indem ich sie am Schwanz packte. Loslassen konnte ich aber auch nicht.
    Irgendwie musste ich die Kette sichern, und zwar schnell.
    Dann fiel mein Blick auf die Ölpumpe, die schnarrend und quietschend auf und ab fuhr. Bei jeder Bewegung zog sie die ins Bohrloch führenden Pumpenkabel hinter sich her. Ich zerrte Murphy rückwärts, bis er aus dem Gleichgewicht geriet. Als sich der Pumpenkopf senkte, rammte ich den Griff der Kette durch die Halterung der Pumpenkabel und drehte ihn so lange, bis er festsaß.
    Dann hob sich die Pumpe - mit Murphy.
    Er hing nur noch an der Kette. Seine Beine zuckten, und sein Körper fing an, sich zu drehen. Ich konnte kaum glauben, dass ich tatsächlich einen Mann gehängt

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