Gefürchtet
hatte, doch im Augenblick war ich vor allem unendlich erleichtert, dass ich seiner fettigen Umklammerung entronnen war. Ich taumelte ein paar Schritte rückwärts.
Entsetzt und zugleich fasziniert beobachtete ich, wie sich die Pumpe senkte. Murphys Füße landeten auf dem Deck und entlasteten seinen Hals. Er griff nach oben und versuchte, die Kette aus dem Kabelwerk zu lösen, doch schon fuhr die Pumpe wieder hoch und riss ihn mit sich. Diesmal gelang es ihm tatsächlich, sich mit den Armen an der Kette festzuhalten, die ihm die Luft abdrückte.
Er hob die Waffe über den Kopf und feuerte auf die Kette.
Allmählich hatte ich die Nase voll. Ölquellen und Feuerwaffen vertragen sich einfach nicht. Hastig brachte ich mich hinter dem Pritschenwagen in Sicherheit. Er gab einen weiteren Schuss ab, der von der Pumpe abprallte.
Plötzlich fing der ganze Pier an zu vibrieren, wie von fernem
Donnergrollen. Vom Ufer näherte sich ein ein zelner Scheinwerfer: Shaun.
Ich fühlte mich unendlich müde. Und Gott, dieser Schmierenkomödiant, hatte unendlich viele Witze auf Lager.
Das Motorrad war noch fast einen Kilometer entfernt, Shaun konnte mich also nicht sehen. Mir blieb nur ein Versteck: hinter dem Geräteschuppen am Rand des Piers. Ich rannte los und kauerte mich kei nen halben Meter von der Kante entfernt hinter die Wand. Mei ne Zähne klapperten vor Kälte, meine Hände waren taub, und der Wind zerrte an meinem Haar.
Murphy hatte aufgehört zu schießen. Da die Ölpumpe direkt um die Ecke war, riskierte ich einen Blick.
Er lebte immer noch. Den Revolver hatte er in die Jeans gesteckt, um sich mit beiden Händen an den Pumpenkabeln in die Höhe ziehen zu können. Wenn die Pumpe nach unten fuhr, stellte er die Füße aufs Deck und versuchte, sich zu befreien. Wenn sie sich nach oben bewegte, hielt er sich an den Kabeln fest, um den Druck von seinem Hals zu nehmen.
Das Motorrad kam näher. Hinter dem Schuppen erreichte mich das Scheinwerferlicht nicht, aber ich hörte die Maschine vorsichtig über die Planken rollen. Für einen Augenblick wurde das Geräusch leiser: Shaun passierte den Schuppen in Richtung Landungssteg.
Murphy gab ein Grunzen von sich. Als ich mich umdrehte, landete er eben wieder auf dem Pier. Seine Hände zerrten an der Kette, und er ließ mich nicht aus den Augen.
Dann entschwebte er wieder.
Shaun bremste und stellte nach kur zem Zögern den Motor ab.
»Wen haben wir denn da? Hallo, Murphy.«
Ich drückte mich flach an die Wand des Schuppens, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, einen Blick um die Ecke zu werfen. Shaun sprang über die Ventilbaugruppe und trottete zur Ölpumpe, die sich gerade senkte.
»Strom«, stöhnte Murphy, bevor er wieder nach oben sauste.
Shaun betrachtete seine in der Luft baumelnden Füße. »Du möchtest, dass ich den Strom abschalte?«
Murphy hatte den höchsten Punkt erreicht. Seine Füße drehten sich über Shauns Kopf und fuhren wieder nach unten. »Da!«
Er zeigte auf den Schuppen, hinter dem ich mich versteckte.
Shaun spreizte die Hände. »Halt durch. Ich stell den Strom ab.«
Murphy wurde von den Bei nen gerissen. Für ei nen Moment zeigte sein Finger noch in mei ne Richtung, und seine leeren Augen glotzten mich an. Dann griff er nach den Kabeln. Die Pumpe war jetzt ganz oben.
Shaun kletterte über die Rohre. »Da ist er ja.«
Er betätigte den Notschalter, und die Pumpe stoppte abrupt. Knapp unter dem höchsten Punkt. Durch den Ruck verlor Murphy den Halt. Seine Füße zappelten in der Luft. Er gab einen erstickten Laut von sich und griff ver zweifelt nach den Kabeln - vergeblich.
Ich drückte mich wieder an die Wand. Sein Todesröcheln zerriss die Nacht. Nach einigen Sekunden wurde es still. Als ich den Kopf wandte, sah ich Shaun, der den an der Kette baumelnden Murphy betrachtete.
»Das Licht ist aus«, sagte er.
»Spar dir die dummen Sprüche«, sagte eine Frauenstimme. »Das ist nicht witzig.«
Sinsa. Deswegen hatte er so lange gebraucht: Er hatte Sinsa irgendwo a ufgesammelt.
»Und hör auf zu grinsen, Shaun, das ist pervers.« Schritte. »Von mir aus bleib da stehen und sei stolz auf dich. Ich finde auch allein heraus, was es mit der Delaney und dem Geld auf sich hat.«
Er spreizte die Hände. »Sei doch nicht so gereizt, Sin …«
»Du hättest sie in der Stadt am Bus abfangen können. Ich hoffe für dich, dass sie wirklich hier draußen ist.«
»Natürlich ist sie hier.« Er deutete auf Murphy. »Wer soll das sonst
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