Gefürchtet
vertrieb den Geruch.
Für Haustiere kann ich mich nicht begeistern. Für mich sind das alles Blutsauger, Hamster und Goldfische eingeschlossen. Auch wenn mich der Welpe mit großen Babyaugen anschmachtete. Nein, so leicht war ich nicht rumzukriegen. Ich blieb am Fenster stehen.
Jesse knallte den Mopp auf den Boden. »PJ hat den Kleinen aus dem Tierheim gerettet.«
»Warum hat er ihn dir geschenkt?«
»Als Entschuldigung.«
»Wieso keine Blumen?«
Der Welpe stand wacklig auf und wedelte mit dem Schwanz. Das war natürlich ein Trick. Erst tun sie süß, dann beißen sie einem in die Waden. Dann wimmerte er.
Damit war es um mich geschehen. Ich ging neben dem Karton in die Hocke und streichelte das Hundebaby. Es war ganz weich und zitterte.
»Armer kleiner Kerl«, sagte ich.
»Kennst du jemanden, der ihn haben will?«
»Du nicht?«, fragte ich hörbar erleichtert.
»Ich bin berufstätig und nie zu Hause.« Er rammte den Mopp in den Eimer und hielt inne. »Ich kann mich unmöglich um ihn kümmern.«
Ich hätte PJ ohrfeigen können. Wie brachte er es fertig, dafür zu sorgen, dass sich Jesse noch schlechter fühlte?
»Ruf deinen vertrottelten Bruder an«, riet ich.
»Der nimmt ihn bestimmt nicht.«
»Dann soll er ihn ins Tierheim zurückbringen.«
»Da wird er eingeschläfert. Das lässt PJ nie im Leben zu.«
Der Welpe winselte.
»Dann kümmere ich mich um den Kleinen«, sagte ich.
Jesse warf mir einen ungläubigen Blick zu. »Du?«
»Ich meine es ernst. Ich suche ihm ein neues Heim.«
»Delaney, du würdest doch einen Hund nicht mal ins Haus lassen, wenn er sich als Zofe verkleidet und dir Kaviar ans Bett bringt.«
»Nur für ein oder zwei Tage. Bis ihn jemand adoptiert.«
Ich nahm den Welpen auf den Arm. Er war warm und biss mir auch nicht die Schlagader durch.
»Das ist bestimmt ein Kinderspiel. In achtundvierzig Stunden hab ich ihn vermittelt.«
Das Hundebaby leckte mir die Hand. Und pinkelte auf meine Bluse.
Ich spülte meine Bluse im Bad und wrang sie aus. Als ich sie inspizierte, entdeckte ich auf dem Regal neben dem Handtuchhalter das Manuskript für meinen neuen Roman. Zumindest das erste Kapitel.
In der Küche räumte Jesse gerade Eimer und Mopp weg. Er wirkte müde. Dagegen wusste ich ein Mittel.
»Wie findest du eigentlich meinen neuen Roman?«, fragte ich.
Er sah aus, als wollte er am liebsten im Erdboden versinken. »Super.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und marschierte in sein Schlafzimmer. Dort stapelten sich auf dem Nachttisch die Bücher.
»Was haben wir denn hier? Stephen Ambrose. Das Journal der kalifornischen Anwaltskammer. Die neue Franklin-Delano-Roosevelt-Biografie.«
Er war mir gefolgt. »Ich bin dabei, dein Manuskript zu lesen.«
»Robert D. Kaplan. Ach, und eine DVD. Beavis und Butt-Head machen’s in Amerika.« Ich stemmte eine Hand in die Hüfte. »Du bist nur bis Seite neunzehn gekommen.«
»Gar nicht wahr.«
»Mehr liegt aber nicht im Bad.«
»Nein, ehrlich. Der Teil, wo die Soldaten sterben, ist besonders spannend.«
Als ich auf ihn zusteuerte, wich er zurück.
»Rowans Männer, ihre Liebhaber. Ist ja furchtbar, dass die alle ums Leben kommen«, stammelte er.
Ich ging weiter. »Wie?«
»Was wie?«
Er schien am liebsten Harakiri begehen zu wollen.
»Wie kommen sie ums Leben?«, fragte ich. »Raus damit, die Ärzte erörtern das in allen Einzelheiten.«
»Äh …« Jetzt hatte er sich in eine Ecke manövriert und konnte nicht weiter. »Zu viel Sex?«
Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick. Er hielt die Luft an - bis ich laut loslachte. Die Anspannung fiel von ihm ab, und ich meinte den Anflug eines Lächelns zu entdecken. Ich schlenderte zurück in die Küche, um den Karton zu holen. »Komm mit, Hund. Wir fahren zu mir, wo man anspruchsvolle Literatur zu schätzen weiß.«
In meiner Küche wirkte der Welpe, der zitternd in dem Karton auf dem Boden kauerte, ganz besonders klein. Luke kniete neben ihm und streichelte ihn mit strahlender Miene.
»Wie heißt er?«, fragte er.
Wenn man ihnen erst mal einen Namen gibt, klebt man Fotos von ihnen mit roter Mütze auf Weihnachtskarten, bevor man weiß, wie einem geschieht.
»Wie sollen wir ihn denn nennen?«, fragte ich.
Er legte den Kopf zur Seite und dachte nach. »Ollie.«
Wie der Skateboard-Sprung.
Ich nickte. »Klingt gut.«
Luke spielte mit den Ohren des Hundebabys. Ich schenkte Brian ein hoffnungsfrohes Lächeln.
»Kommt nicht infrage. Vergiss es! Einen Hund kann ich beim
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