Gefürchtet
lassen sich retuschieren. Der Kreml hat das jahr zehntelang praktiziert. Übrigens waren meine Eltern sowieso sauer auf mich.«
»Wegen der Kaution für PJ?«
»Ja. Und weil ich mich nicht danach gedrängt habe, sein Verteidiger zu werden.«
Meine Wangen brannten. Seine Eltern verübelten ihm bestimmt auch, dass er nicht ei nen Augenblick gezögert hatte, für mich in die Bresche zu springen.
»Ist dir seine Begleitung aufgefallen?« Ich schaute mich um, konnte PJ aber nicht entdecken. Nur Keith und Patsy saßen an der Bar.
»Sinsa. Der Junge will sich unbedingt Ärger einhandeln.« Jesse verzog das Gesicht. »Ich rede mit ihm.«
Das Haar fiel ihm erneut in die Augen. Er warf den Kopf zurück, aber es half nichts. Ich strich ihm die Strähnen mit den Fingerspitzen aus der Stirn. Dann kam mir ein verrückter Gedanke. Ich würde den Brautstrauß fangen, Punkt. Und wenn ich zur Waffe greifen musste, um jede andere Frau im Raum aus dem Weg zu räumen.
»Evan.«
Marcs Bassstimme riss mich aus mei nen Gedanken. Sein Gang war lässig, aber seine Blicke streiften wachsam durch den Raum. »Wie sieht der Zeitplan aus? Essen, Torte, Tanz … Wir müssen um zwei hier weg sein, und jetzt ist es schon zwölf.«
»Ich hab keine Ahnung. Jess, gibt es ein Programm?«
»Habt ihr das vertrauliche Memo nicht bekommen?«, fragte er.
»Das ist uns entgangen«, sagte Marc. »Aber jetzt mal im Ernst.«
»Limbowettbewerb um vier, Brautjungfernplanschen im Pool um fünf. Schade, dass ihr das verpasst.«
Jemand rief Jesses Namen. David hatte sich mit den anderen Trauzeugen zum Fotografieren versammelt und winkte ihm.
»Entschuldigt mich«, sagte Jesse. »Das Politbüro trifft sich zum Fototermin.«
Damit verschwand er. Ich starrte ihm wortlos nach. Marc legte mir die Hand auf den Rücken.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Bestens. Ich brauche nur einen Drink.«
Der Raum füllte sich mit Gästen, und der Geräuschpegel stieg allmählich an. Die übrigen Brautjungfern wanderten als kichernde Gruppe durch den Raum. Ich steuerte die Bar an.
»Champagner«, bestellte ich beim Barkeeper.
PJ und Sinsa tauchten neben mir auf. Sie strahlten einander an und konnten die Hände nicht voneinander lassen. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, das ihn rot anlaufen ließ.
»Zwei Wodka Tonic«, sagte er und lächelte mich an. »Amüsierst du dich gut?«
Falls Sinsa in diesem Kleid einen kalten Drink zu sich nahm, bekam sie wahrscheinlich Erfrierungen. Sie lehnte sich an die Bar und neigte den Kopf zu mir.
»Dein Verehrer ist heiß.«
Ich nahm dem Barkeeper den Champagner ab. »Marc ist nicht mein Verehrer.«
»Warum verscheucht er dann jeden Mann, der sich dir bis auf drei Meter nähert?«
Mit einem Zahnstocher pickte sie eine grüne Olive aus einer Schale auf der Theke, hielt sie an die Lippen und lutschte die Paprikapaste heraus. PJs Hose stand kurz vor der Selbstentzündung.
Sie drehte ihm den Rücken zu. Sie tat, als stünde sie über allem. Jetzt wollte sie mir offenbar demonstrieren, dass PJ ihr williges Werkzeug war, das sie nach Belieben einund ausschalten konnte. Sie musste wissen, dass ich ihrer betrügerischen Plattenproduktion auf der Spur war, aber das war ihr anscheinend völlig egal. Das wiederum fand ich in hohem Maße beunruhigend. Hatte sie wirklich derart mächtige Beschützer?
Aber wenn ich sie jetzt zur Rede stellte, brachte das nichts. Also beherrschte ich mich.
Wenigstens so halbwegs. »Marc ist Kampfpilot und hat schon mehrere Flieger auf dem Kerbholz. Ich würde ihm lieber aus dem Weg gehen.«
»Wie du meinst.«
Ihre Drinks kamen, und sie stießen an.
Ich nickte PJ zu. »Jesse will mit dir reden.«
»Er weiß ja, wo er mich findet.« Er schwenkte sein Glas und ließ die Eiswürfel klirren. »Evan, ich darf eigentlich nicht mit dir reden, sagt mein Anwalt.«
Sinsa warf mir einen trägen Blick zu und saugte mit scharlachroten Lippen eine weitere Olive aus. PJ musterte mich fragend. Er schien ein schlechtes Gewissen zu haben.
»Tut mir echt leid«, sagte er.
Die Brautjungfer mit der Häckslerfrisur tauchte auf und stürzte sich auf Sinsa. »Was für ein fantastisches Kleid! Ist das Versace?«
»Kasja Benko«, erwiderte Sinsa.
Dem weit aufgerissenen Mund meiner Brautjungferkollegin entnahm ich, dass das so etwas wie der heilige Gral war. Ich wandte mich ab. Marc hatte sich am Buffet angestellt, behielt mich aber im Auge. Jesse hatte mittlerweile seine Fotosession
absolviert. Ich ließ mir vom Barkeeper
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