Gefürchtet
für Stimmung sorgen.« Das Keyboard spielte ein Arpeggio. »Los geht’s, alle Mann auf die Tanzfläche. Mit Avalon geht die Party erst richtig los.«
Mein Herz setzte aus. Als ich mich umdrehte, stand Merlin Ming mit einer Gitarre in den Händen am Mikrofon.
21. Kapitel
Die beiden hatten tatsächlich eine richtige Bigband mit Schlagzeug, Bass, Keyboard, Gitarren und Saxofon. Murph saß am Schlagzeug, Merlin spielte Leadgitarre und zählte an. Eins, zwei.
Dann wandte er sich um und entdeckte mich.
Die Band spielte den Eröffnungsakkord des Stücks und ging sofort in die Vollen. Merlin legte sich ordentlich ins Zeug und brachte es fertig, sämtliche Akkordwechsel zu spielen, ohne mich aus den Augen zu lassen.
»Marc«, sagte ich.
Seine Miene war ernst. »Sind das die Kerle?«
Unwillkürlich wich ich zurück. »Was tun die hier?«
Er ergriff meine Hand. »Ganz ruhig. Wir setzen uns jetzt ab, aber du darfst auf keinen Fall rennen.«
Meine Beine drohten mir den Dienst zu versagen. Merlin, der in einem puderblauen Polyesteranzug im Stil der Siebzigerjahre steckte, löste endlich den Blick von mir und beugte sich über seine Gitarre. Seine Finger glitten über den Hals, und seine schmalen Hängeschultern zuckten im Rhythmus. Dann drehte er den Kopf vom Mikrofon weg und sagte etwas. Murphy, der gerade auf sein Schlagzeug eindrosch, blickte auf und ließ den Blick über die Menge schweifen.
»Ich muss hier raus«, sagte ich. »Sofort.«
Marc hielt mich in sicherem Griff. »Ganz ruhig. Die Band
hat gerade den ersten Refrain angefangen. Die werden nicht mitten im Stück aufhören, um dir nach zujagen. Wir können uns also Zeit lassen.«
Die Tanzfläche füllte sich allmählich. Wir schlängelten uns zwischen den Paaren hindurch in Richtung Tür. Am liebsten wäre ich losgestürmt, aber Marcs Hand hinderte mich daran.
Ich beugte mich zu ihm, damit er mich trotz der Musik hörte. »Ich muss Jesse warnen.«
Ich suchte mit den Blicken die Menge ab und entdeckte Jesse ganz allein in der Nähe der Tür. Sein Gesicht wirkte eingefallen. Zum ersten Mal sah er aus wie sein Vater. Ein geschlagener Mann.
Ich versuchte, mein Tempo zu beschleunigen, aber Marc bremste mich. Dann hatte Jesse mich entdeckt. Für einen Augenblick wirkte er erleichtert, dann verdüsterte sich seine Miene. Wortlos setzte er in rasantem Tempo zurück und war aus der Tür. Er wendete und verschwand aus meinem Blickfeld.
Ich wusste, was seine Augen ihm gezeigt hatten: mich auf der Tanzfläche, Hand in Hand mit Marc Dupree.
Verdammter Mist! Ich riss mich los und drängte mich durch die tan zenden Paare und an den Brautjungfern vorbei, die mitten auf der Tanzfläche vereint im Kreis herumhopsten. Als die Band den letzten Refrain anstimmte, hatte ich endlich das andere Ende des Saals in der Nähe der Bar erreicht.
Marc streckte die Hand nach mir aus. »Haltung bewahren, Evan.«
Sinsa drängte sich auf dem Weg zur Bar an mir vorbei. »Du bist das Alphatier, das muss ich dir lassen.«
»Was?«
»Alle Hunde streiten sich um dich. Du bist die Rudelführerin.«
Auf dem Podium swingte die Band. Murphy gab den Rhythmus vor. Sein rechter Fuß trat das Pedal der Basstrommel, während er die Schlagzeugstöcke über die Becken wirbeln ließ. Der rasierte Schädel wippte auf und ab. Sein Blick wanderte in meine Richtung, und ich bemerkte, wie er sich hinter dem hängenden Schnurrbart die Lippen leckte.
Ich zog Marc in den Gang, wo die Musik nur noch gedämpft zu hören war.
»Nicht rennen«, sagte er.
»Ich muss Jesse finden. Und ich muss mit ihm reden, allein.«
Jesse war nirgends zu sehen.
»Das geht nicht. So läuft das beim Geheimdienst nicht.«
Kein Jesse im Atrium. Im Ballsaal verhallten die letzten Klänge der Musik. Dünner Applaus erklang, dann wechselte die Band zu einem langsamen Bee-Gees-Song. Ich lief nach draußen in die Sonne. Am anderen Ende der Einfahrt schlug Jesse gerade die Tür des Mustangs zu.
Ich marschierte an den Pflanzkübeln mit der orange blühenden Bougainvillea vorbei. Marc folgte mir wie ein Schatten.
Ich blieb stehen. »Warte hier. Bitte.«
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Der Motor des Mustangs heulte auf.
Ich legte ihm die Hand auf die Brust. »Falls die Mings rauskommen, schießt du ihnen die Discostiefel weg, aber lass mich allein mit meinem Freund reden.«
Freund. Was für ein nichtssagendes Wort für die Liebe
meines Lebens. Jesse war mein Mann, und das hätten wir schon längst offiziell
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