Gefürchtet
aufnehmen, obwohl du die aus der Portokasse hättest bezahlen können.« PJ stellte seinen Teller ab. »Aber das wundert
mich gar nicht. Evan ist dir ja wichtiger als deine eigene Familie.«
Ich erhob mich.
Jesse deutete drohend auf PJ. »Wag es nicht, was gegen Evan zu sagen. Seit sie dich völlig zugedröhnt in der Badewanne gefunden hat, legt sie sich für dich ins Zeug. Und was ist der Dank? Sie landet im Gefängnis und bekommt von Skip Hinkel einen Maulkorb verpasst.«
PJ hob abwehrend die Hände. »Versuch bloß nicht, mir das in die Schuhe zu schieben. Ich tu nur, was mein Anwalt mir sagt.«
Er wollte sich zum Gehen wenden, aber Jesse rollte herum und versperrte ihm den Weg. Ich steuerte auf die beiden zu.
»Aus dem Weg«, sagte PJ.
»Sei kein Idiot.«
»Selber.«
Damit wandte PJ sich ab, aber Jesse packte ihn am Arm. Ich beschleunigte mein Tempo, doch die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten.
PJ versuchte vergeblich, sich zu befreien. Als ihm das nicht gelang, griff er nach Jesses Krawatte. Im Gegenzug packte Jesse ihn am Revers, woraufhin sich PJ in Jesses Haare krallte.
»Aufhören!«, schrie Patsy am anderen Ende des Saals.
Zu spät. Keiner der beiden wollte nachgeben. Jesse riss PJ um und ging mit ihm zu Boden.
Dabei trafen sie das Buffet. Teller zerbrachen klirrend, eine Kellnerin kreischte, der gan ze Tisch geriet ins Wanken. Die Band hörte mit dem Stimmen auf. Die Eisdelfine stürzten von ihrem Sockel und zerschellten auf dem Boden.
»Aufhören! Aufhören!« Das war Patsy, die sich durch die Menge drängte.
Ich zögerte, keine zwei Meter von den beiden entfernt, die nun ineinander verschlungen am Boden lagen. PJ brüllte und zappelte, aber Jesse hielt ihn unbarmherzig im Schwitzkasten.
Marc drängte sich an mir vorbei und zerrte PJ auf die Beine. Offensichtlich war es nicht das erste Mal, dass er zwei Kampfhähne trennte. Er schlang die Arme um ihn und umklammerte ihn, sodass er nicht an Jesse herankam. »Es ist vorbei, Junge«, sagte er. »Lass es gut sein.«
Caroline und David schoben sich durch die Schaulustigen und starrten fassungslos auf die demolierte Eisskulptur.
PJ zappelte immer noch in Marcs Griff. Auf seinem Gesicht malten sich rote Flecken. »Jesse hat angefangen. Er hat mich festgehalten.«
Marc verstärkte seinen Griff. »Du bekleckerst dich nicht gerade mit Ruhm, wenn du dich mit ihm prügelst.«
Patsy drängte sich dicht gefolgt von Keith durch die Umstehenden. Unsicher auf ihren Highheels schwankend, betrachtete sie das Bild der Verwüstung.
»Was hast du getan?« Sie krallte die Hände in ihr Kostüm. »Was ist bloß mit dir los, Jesse?«
Unter den empörten Blicken der Gäste setzte Jesse sich auf. Patsy wandte sich ab und torkelte durch die Menge davon, während David und Caroline wortlos auf das ruinierte Hochzeitsbüffet stierten. Schließlich schlug Caroline die Hand vor den Mund, wandte den Kopf ab und ließ sich von David davonführen.
Jesse stützte sich auf die Arme, senkte den Kopf und schloss die Augen. Marc hielt PJ in eisernem Griff und redete beruhigend auf ihn ein, bis sich seine Anspannung löste und er resigniert die Hände hob.
»In Ordnung. Du kannst mich loslassen«, sagte er.
Marc wartete noch ein paar Sekunden und gab ihn dann frei. PJ marschierte davon, riss die Terrassentür auf und stürzte nach draußen. Nach einem Augenblick des Zögerns lief Sinsa ihm nach.
Verlegen kehrten die übrigen Gäste dem Buffet den Rücken und zerstreuten sich. Jesse griff nach sei nem Rollstuhl und richtete ihn wieder auf. Aus dem Hintergrund tauchten Kellner auf, um das Chaos zu beseitigen, während Jesse sich in seinen Rollstuhl hievte. Eine Rei nigungskraft erschien mit Kehrschaufel und Besen und fing an, die zerbrochenen Teller zusammenzufegen.
»Tut mir leid«, sagte Jesse.
Dann sah er sich nach David und Caroline um. Sie hatte sich schluchzend in den Arm ihres Vaters geschmiegt. Jesse holte tief Luft und rollte auf die beiden zu.
Marc berührte mich am Ellbogen. »Alles okay?«
»Ganz und gar nicht.«
Draußen hatte sich PJ auf eine Bank am Pool sinken lassen. Sinsa saß neben ihm und hatte die Arme um ihn gelegt. Er fuchtelte wild mit den Händen und sprudelte ganze Salven für mich unhörbarer Worte heraus. Am anderen Ende des Ballsaals entschuldigte sich Jesse bei Caroline und ihren Eltern, die nicht so wirkten, als könnten sie ihm jemals verzeihen.
Auf dem Podium schlug der Gitarrist einen Akkord an. »So, Leute, dann wollen wir mal
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