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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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Zentimeter an
meinem rechten Ohr vorbei. Sie bohrte sich neben meinem Kopf in den Baumstamm
und die abgesprengte Rinde ritzte meine Wange.

    Ich ließ mich in die Hocke fallen und sicherte mich
hastig nach allen Seiten ab.

    Â»Was war das?«, fragte mein Kollege am Telefon.

    Â»Ich werde beschossen«, sagte ich knapp, dann steckte ich
das Handy weg. Ich nahm die Pistole mit beiden Händen und machte mich mit dem
Gedanken vertraut, doch noch zum Helden zu werden.

    In der Richtung, aus der ich das Mündungsfeuer gesehen
hatte, standen zwei Bäume zur Auswahl. Von meiner Position aus konnte ich den
Graben mit dem Bach und die gesamte Uferböschung einsehen. Das Gras war an keiner
Stelle höher als zehn Zentimeter und der Bach war auch nicht viel tiefer.

    Ich richtete mich zu den beiden Bäumen aus, die ich im
Verdacht hatte, und hoffte, damit keinen Fehler zu machen. Wenn der Mörder
meine Verwirrung genutzt und an einer anderen Stelle Deckung gesucht hatte,
konnte er mich noch einmal überraschen und würde sich dann vielleicht genug
Zeit nehmen, um richtig zu zielen.

    Sekunden verstrichen, ohne dass etwas geschah. Meine
Wange wurde warm und begann unangenehm zu pochen. Ich überlegte, ob ich mich
bewegen und die Bäume umkreisen sollte. Dann wäre ich aber ohne Deckung und ich
wollte nur ungern, dass die Kollegen nur noch meine Leiche vorfanden. Wenn sie
denn kamen. Mich beschlich die Vorstellung, in kleinen Scheiben über den
gesamten Feldweg verteilt zu werden, sollte ich auch nur den kleinsten Fehler
machen.

    Also blieb ich, wo ich war. Was sich kurz darauf als goldrichtig
erwies. Ich nahm eine flüchtige Bewegung wahr, warf mich zu Boden und diesmal
sah ich den Mörder. Er kam hinter einem Baum hervor, zielte und drückte zweimal
ab. Er hatte zum Glück nicht einkalkuliert, dass ich mich fallen ließ. Seine
Kugeln richteten nur am Baum Schaden an.

    Ich brachte meine Waffe in Anschlag und schoss, als der
Mörder gerade ansetzte, die Uferböschung hinunterzuspringen. Ich verfehlte
seine Beine knapp. Aber er erschrak, drehte sich zu mir, blieb mit seinem Fuß
hängen und schlug der Länge nach in den Graben.

    Ich sprang auf und folgte ihm in geduckter Haltung. Er
war außer Sicht, deshalb tastete ich mich vorsichtig bis zum Rand vor. Es war
diese Vorsicht, die mir das Leben rettete. Als ich über den Rand spähte, sah
ich ihn. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, aufzustehen. Er lag auf dem
Rücken, mit dem Kopf beinahe im Bach und zielte mit ausgestreckten Armen auf
mich. Ich wich seinem Schuss aus, indem ich mich blitzschnell wegdrehte.

    Er korrigierte seine Haltung, die Waffe schwenkte hinter
mir her. Ich legte an, er machte es mir nach. Mein Finger krümmte sich um den
Abzug, seiner folgte. Mein Schuss löste sich zuerst. Ich trat die Flucht nach
vorn an. Ich hechtete vorwärts und purzelte mit einer schnellen, aber wenig
eleganten Rolle den Hang hinunter.

    Als ich wieder Halt fand, richtete ich meine Waffe auf
den Serienmörder, bereit, ein weiteres Mal abzudrücken. Doch das war nicht
nötig. Er lag wimmernd am Boden, Blut strömte aus seiner Hand, die Waffe war
verschwunden. Mit durchgestreckten Armen stand ich vorsichtig auf. Ich zielte
auf seinen Kopf, denn ich wollte kein Risiko eingehen, wenn ich mich ihm näherte.
Seine Pistole bemerkte ich an seiner linken Seite neben ihm. Ich ging langsam
und vorsichtig um den Mann herum und fegte die Waffe mit meinem Fuß zur Seite.

    Er machte keinen besonders gefährlichen Eindruck mehr,
trotzdem ging ich einen Meter zurück, zielte weiter auf seinen Kopf und griff
nach meinem Handy. Die Verbindung stand noch. Ich blaffte: »Wo bleiben die
Kollegen?«

    Â»Oh, Sie leben«, sagte der Mann erleichtert.

    Â»Es sieht so aus«, sagte ich. »Wo bleiben die Kollegen?«

    Â»Die sind versehentlich den Weg in die falsche Richtung
gelaufen.«

    Oben auf dem Weg knirschten Sohlen auf dem Schotter. »Hier
unten!«, rief ich hinauf.

    Köpfe erschienen leichtsinnig ungeschützt am Rand der
Böschung. Erst dann sah ich, dass uniformierte Kollegen auch von der anderen
Seite vom Feld her kamen. Der Mörder wäre ihnen direkt in die Arme gelaufen.

    Â»Er lebt!«, rief ich. »Wir brauchen einen Rettungswagen.«

    Ich hörte Funksprüche und überließ den Verletzten erleichtert
den Kollegen von der Schutzpolizei. Zwei von ihnen nahmen mich

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