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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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das Bild zu gewinnen; Bilder fungierten in den Details, die sie zeigten, als Transmitter zu einem Verständnis von Welt, davon war sie überzeugt. Und für diese Überzeugung galt es etwas zu tun, Ausstellungen abzuhalten, an Ausschreibungen teilzunehmen, im Kontaktwerk der abendlichen Vernissagen integriert zu sein, und das nicht zwangsläufig immer im Verbund mit Bastien. Sicher, zu Beginn ihrer Beziehung hatte er sich immer für sie eingesetzt, ihr auch die erste Galerie und einige Sammler (unter anderem auch Thomas) besorgt, aber in der Zwischenzeit war ihr Selbstvertrauen gewachsen, so weit, dass sie es dann hasste, nur als Freundin von Bastien wahrgenommen zu werden und nicht als die eigenständige Künstlerin, als die sie sich fühlte. Aber ein Alleingang stellte sich als schwierig dar, lauteten die meisten Einladungen doch auf Bastiens Namen, und die Einladenden waren in der Regel Bekannte oder auch Freunde von ihm, der Faktor Bastien geriet in ihrem Leben mehr und mehr zu einer fesselnden Klammer.
    Der zweite Knopf hieß Thomas . Mit Thomas gab es eine solche Fessel nicht, auch keinen Schlagschatten auf ihre Kunst, im Gegenteil, er schien ihre Arbeit auch zu mögen und hatte bereits zwei Bilder von ihr gekauft, wenn auch nur kleine. Im Grunde genommen war sie von ihren neuen Gefühlen zu ihm überrascht, kannte sie ihn doch bereits seit vielen Jahren und hatte ihn dementsprechend als Freund von Bastien abgespeichert. Ebenso überrascht war sie von der Intensität ihres Zusammenseins: die nun fast stündlichen Anrufe, das Sprechen über Schicksal, Zukunft und sogar Familie. Sicher, er betrog einen seiner besten Freunde mit ihr, das konnte man nicht gerade als einen charakterlichen Stabhochsprung bezeichnen. Und ein weiterer Punkt war das Geld. Thomas war sich seiner Macht in dieser Hinsicht sehr bewusst und ließ keinen Zweifel daran, dass Bastien von ihm abhängig war; für Mel fühlte sich das befremdlich an, dachte sie doch an ihre andauernden Geldsorgen mit Bastien, aber auch an ihre Zuversicht, selbst wenn die Situation einmal wieder aussichtslos schien.
    Dieses Problem würde es mit Thomas absehbar nicht geben, seine Firma, eine Prepress-Factory mit dem selbstgestellten Anspruch einer Werbeagentur, lief gut, er beschäftigte an die vierzig Angestellte und hatte seinen Fuß in der Tür einiger DAX-Unternehmen, mit deren Vorstandsvorsitzenden er auf Du und Du verkehrte. Überhaupt war er ein netter Kerl, jederzeit freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit, mit bestechenden Manieren; da mochte man ihm nachsehen, dass er seinen Reichtum gerne in der Form von einem Dutzend teurer Autos und mondänen Urlauben in Marbella und Como zur Schau stellte, worüber sich Mel und Bastien früher gerne lustig gemacht hatten. Er entsprach also genau dem Klischee, welches man bei einem Menschen wie ihm erwartete, was ihm allerdings sehr bewusst war. Das wiederum beeindruckte Mel – wenn er zum Beispiel davon sprach, dass der Vorteil eines Klischees darin bestünde, dass man sich nicht besonders anstrengen müsse, ein anderer zu sein als der, der man eben war.
    Auch war er sicher kein besonders intelligenter oder kreativer Geist, in regelmäßigen Abständen hatte er Bastien angerufen, um von ihm die ein oder andere Idee zu einer anstehenden Kampagne für Lockendreher, reißfeste Frischhaltefolien oder innovative Kugelschreiber zu ergattern; nicht zu Unrecht, denn Bastien war gut darin, spontan eine Idee aus der Hüfte zu schießen. In dieser Hinsicht war er Thomas vollkommen überlegen, das war auch Mel bewusst, spürte sie doch bereits, dass die Gespräche mit Thomas nicht annähernd das erhitzte und tiefsinnige Niveau erreichten, das sie mit Bastien gewohnt war. Eher hatte sie es nun mit peinlich genauer Berichterstattung zu tun, auch mit Ratschlägen, was denn zu tun sei und was zukünftig das Beste wäre, besonders, was ihr Verhältnis zu Bastien anbelangte – dass ein räumlicher und verbaler Abstand zu ihm jetzt wichtig sei, dass ihre Beziehung im Grunde doch irreparabel verloren sei, dass sie jetzt nach vorne schauen müsse, nicht zuletzt auch wegen der Kinder, die eine richtige Familie bräuchten. Sie wusste, ein solch eingeschlagener Weg bedeutete nichts anderes als die vollkommene Loslösung von Bastien; das trieb ihr regelmäßig Tränen in die Augen, waren da schließlich doch Bilder, die sie nicht so einfach vergessen konnte: die Abende mit Freunden, die Nächte am Küchentisch, die sie immer mit Debatten über

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