Geh nicht einsam in die Nacht
Wind. Bei dem Anblick schüttelte Jouni den Kopf und ging hinein.
Elina erwartete ihn, sie war bereits angezogen, saß da und las in Mantel, Kopftuch und braunen Straßenschuhen die Zeitung. Jouni hatte mit ihr seit mehr als einem Jahr über den bevorstehenden Umzug gesprochen, aber Elina hatte sich taub gestellt. Er hatte versucht, sie aktiv einzubeziehen, ihr gesagt, dass sie sich sonntags gemeinsam Wohnungen ansehen konnten, seit er seinen Führerschein gemacht und sich sein erstes Auto gekauft hatte. Er wolle doch selbst umziehen, hatte er geantwortet, als Elina meinte, dass sie ihm nicht zur Last fallen wolle, es sei keine zusätzliche Bürde, sie mitzunehmen, er werde ohnehin herumfahren und sich Wohnungen anschauen. »Wollt ihr in eine größere Wohnung ziehen, Terhi und du?«, hatte Elina gefragt. »Nein, Terhi und ich werden auseinanderziehen«, hatte Jounis knappe Antwort gelautet.
Jouni besaß seit dem Frühjahr ein Auto, er hatte den Fiat im April gekauft und war unverzüglich losgefahren und hatte sich auf die Suche gemacht. Er hatte auch für Elina gesucht, obwohl sie dem Thema hartnäckig ausgewichen war. Trotzdem hatte er sie weiter bearbeitet und das aus gutem Grund: Die Häuser in der Castrénsgatan 14 und das Haus schräg gegenüber waren die letzten Holzhäuser im Viertel, die Entscheidung zum Abriss und die entsprechenden Zwangsräumungsbescheide konnten jederzeit kommen. Ringsum thronten die Mietshäuser, eins komfortabler als das andere, sechs oder sieben Etagen hoch, mit eigenen Balkonen und allen nur erdenklichen Bequemlichkeiten. Elina hatte ein Plumpsklo und einen Abwasserausguss auf dem Hof sowie einen Eisenherd und Holzkasten und einen rußenden Kamin als Ergänzung zu dem Kachelofen, der nicht mehr richtig zog. So konnte es nicht weitergehen, außerdem war es für einen Umzug der richtige Zeitpunkt in Elinas Leben: Oskari war in die Armee eingezogen worden, und nach seiner Entlassung würde er in eine eigene Wohnung ziehen und die Polizeihochschule besuchen, das hatte er gesagt, und Jouni hatte ihm versprochen, ihm falls nötig mit Geld auszuhelfen. All diese Argumente hatte Jouni bei Elina vorgebracht. Ein einziges Argument verschwieg er ihr allerdings: Er wollte nicht, dass sie dort noch wohnte, wenn das Haus geräumt wurde. Mittlerweile lief bereits die zweite Staffel von Poparena! , und die Sendung schleppte sich dahin, denn TV-Jouni hatte sich nicht als der Riesenerfolg erwiesen, auf den Kantola und die anderen Chefs gehofft hatten. Trotzdem war er eine Person des öffentlichen Lebens, und die Klatschblätter würden sich für Schlagzeilen wie »Mutter des Starmoderators lebt im Elend« nicht zu schade sein, wenn sie erführen, wie Elina hauste.
Aber Elina hatte sich stur gestellt. Der Sommer war vergangen, und Jouni hatte sich eine geräumige Wohnung in einem kühn entworfenen Hochhaus in Hagalund gekauft. Terhi hatte auch nicht in Tallinge bleiben wollen, und Jouni war ihrer so überdrüssig gewesen, dass er nicht einmal wusste, wohin sie gezogen war, vermutlich zusammen mit anderen Musikern und Hippies in irgendein zugiges Holzhaus auf dem Lande. Jouni war in sein neues Zuhause gezogen, das Gebäude wurde wegen seines eigenartigen Aussehens »Flachmann« genannt, Jounis Fiat hatte einen eigenen Parkplatz auf dem asphaltierten Hof, und Jouni selbst besaß ein Scheckheft und eine Stereoanlage mit Lautsprechern aus dunklem Mahagoni, und die Inflation fraß freundlicherweise die Zinsen seines Bankdarlehens auf. Alles war in Bewegung, aber Elina Manner bewegte sich nirgendwohin. »Ich fühle mich hier wohl und werde hier so lange wohnen, wie ich darf«, sagte sie noch im August, und mehr gab es dazu nicht zu sagen.
Vor einer knappen Woche war jedoch der Brief mit dem Räumungsbeschluss gekommen, und Elina hatte Jouni aus der Krankenhauswäscherei angerufen und geweint. Jouni hatte gewusst, was sich anbahnte, denn als die Stadtverwaltung nach den Sommerferien öffnete, hatte er sich nach geplanten Bauvorhaben in dem Viertel erkundigt. Als Elina ihn anrief, hatte er bereits einen neuen Kredit aufgenommen und alle notwendigen Maßnahmen ergriffen.
»Gehen wir zu Fuß oder nehmen wir das Auto?«, fragte Elina, als sie die Zeitung zusammenfaltete und aufstand.
»Es ist nur um die Ecke«, antwortete Jouni.
Das stimmte: Die Wohnung war zwar nicht im Nachbarhaus, aber fast. Es war Treppenaufgang B, und der Aufzug war so neu wie alles andere, kein Gitter, keine Glastür, nur eine
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