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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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Geschichte kannst du dich nur befreien, indem du sie studierst und deine eigene Schuld siehst. Wenn du dich weigerst, Schuld auf dich zu nehmen, und dich in das Axiom flüchtest, dass du neu und rein bist, wirst du niemals frei sein, dann verurteilst du dich und die Menschheit nur dazu, wieder und wieder die gleichen Fehler zu machen und die gleichen Verbrechen zu begehen … verstehst du, was ich meine?«
    »Ja«, antwortete ich. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich deiner Meinung bin.«
    »Was gefällt dir denn daran nicht?« Manner wirkte aufrichtig erstaunt, was nicht weiter ungewöhnlich war, denn er hielt große Stücke auf seine Fähigkeit, logisch zu argumentieren, und reagierte oft perplex, wenn man ihm widersprach.
    »Ich bin ein bisschen überrascht«, antwortete ich. »Deine Argumentation klingt wie ein Plädoyer für die Erbsünde. Das erwartet man nicht unbedingt aus deinem Mund.«
    »Und du hörst dich an wie des Teufels Advokat«, erwiderte Manner und lächelte wohlwollend. »Es gibt nichts Metaphysisches in meiner Argumentation. Wenn man der Geschichte ins Auge gesehen und bekannt hat, dass man ein Mensch ist und folglich nicht über der Geschichte der Menschheit steht, hat man das Recht, die Geschichte hinter sich zu lassen und das Neue zu suchen.«
    »Simsalabim!«, sagte ich so sarkastisch wie möglich.
    »Und was dich und die Kulturstalinisten angeht«, fuhr Manner ungerührt fort, »wirst du ihnen niemals mit den Waffen deiner Generation begegnen können. Eure Waffe ist die Ironie, sie dagegen wissen gar nicht, was Ironie ist, sie kennen nur den bitteren Ernst. Warum wendest du dich nicht von ihnen ab, warum durchschlägst du den gordischen Knoten nicht? So habe ich es gemacht.«
    Ich zuckte mit den Schultern, als wollte ich sagen, dass dies nicht so einfach war.
    »Okay, ich will mich nicht dümmer stellen, als ich bin«, fuhr Manner in einem beiläufigen Tonfall fort. »Ich weiß sehr wohl, warum du ihnen im Moment nicht aus dem Weg gehen kannst. Ich weiß, dass du Natalie vögelst.«
    Tatsächlich nannte Manner nicht nur Natalies Vornamen, sondern auch ihren berühmten Nachnamen. War es mir einst gelungen, Manner aus der Fassung zu bringen, als ich ihm enthüllte, wessen Sohn ich war, so revanchierte er sich jetzt ein wenig: Seine Enthüllung machte mich sprachlos.
    »Ich werde das Messer noch ein bisschen tiefer in die Wunde bohren«, ergänzte er. »Nicht um dir eins auszuwischen, sondern damit du begreifst, worauf du dich eingelassen hast. Alle wissen, dass Natalie wieder einen Liebhaber hat und diesmal du der Auserwählte bist.«
    Manner hatte leise gesprochen, aber ich schielte in dem fast leeren Restaurant trotzdem in alle Richtungen, da ich eine Heidenangst hatte, dass uns jemand belauschte.
    »Aber verdammt nochmal …«, brachte ich nach längerem Schweigen heraus, bei dem Manner nur dasaß und wartete, bis ich etwas sagen würde. »Willst du damit etwa sagen, dass auch …?« Ich nannte den Namen von Natalies Mann.
    Manner lachte, es war ein zufriedenes Brummen, das tief im Bassregister ansetzte und langsam lauter wurde.
    »Natürlich. Aber der verkraftet das schon. Natalie ist …« – Manner suchte sorgsam nach Worten, er schien die Situation zu genießen –, »Sie ist ein Begriff. Oder besser gesagt, ihre vielen Liebhaber sind es. Letztes Jahr war es Kari Kuoppa, du weißt schon, der Sänger. Vor Jahren war es Waenerberg, der Manager. Natalie ist eine fantastische Frau, und Waenerberg ist ein Riesenarschloch und hatte sie nicht verdient. Und jetzt … tja, jetzt bist du an der Reihe. Ihr seid nicht besonders vorsichtig gewesen, habt euch gelegentlich zusammen gezeigt. Oder hast du ernsthaft geglaubt, dass dir irgendjemand dieses Ammenmärchen abkauft, du wärst auf Reisen, um mit Theatern über dein Stück zu verhandeln?«
    »Aber wieso hat die Presse dann nichts …?«, fragte ich und spürte, dass mir nicht nur auf der Stirn, sondern am ganzen Oberkörper der kalte Schweiß ausbrach.
    »Manchmal überrascht es mich, wie naiv du bist«, antwortete Manner lächelnd. »Natalie hat eine Abmachung mit ihnen. Kati Kaipola von den Abend-Nachrichten und Tuula Niva von Wir Frauen gehören zu ihren engsten Freundinnen. Was glaubst du denn, wie Natalie ihnen am meisten nützt? Als Hochglanzbild. Weißt du, für wie viele Titelseiten sie im Laufe der Jahre fotografiert worden ist, weißt du, wie viele Illustrierte man mit ihrer Hilfe verkauft hat? Es ist wie mit der Homosexualität

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