Geheimnis einer Wuestennacht
ständig in Ohnmacht zu fallen, dachte Tahir verschwommen. Sich andauernd krank und schwach zu fühlen, nervte ihn ebenso wie jeder andere Zustand, in dem er sich zu lange befand.
Selbst das betörende Gefühl einer kühlen weiblichen Hand auf seiner brennenden Stirn verlor seinen Reiz, als er feststellen musste, dass es nur ein Traum gewesen war. Es gab keine Annalisa mehr in seinem Leben. Und dabei war sie für ihn â der nie in seinem Leben zweimal neben der gleichen Frau wach geworden war â die Einzige, nach der er sich verzweifelt sehnte.
Immer noch halb gefangen in dem verlockenden Traum, sie wieder an seiner Seite zu wissen, schlug Tahir die Augen auf und musste feststellen, dass er in einem sterilen weiÃen Krankenbett lag und an unzählige Schläuche und Apparaturen angeschlossen war. Augenblicklich begann er damit, sich von ihnen zu befreien.
âNicht, Sire ! Bitte!â, rief der Arzt aus, der in diesem Moment das Zimmer betrat.
Tahir ignorierte seinen Protest. âIch brauche das alles nicht! Ich will nur raus hier, und zwar so bald wie möglich.â Nicht, dass es ihn verlangte, irgendwo schnell hinzukommen ⦠auÃer vielleicht in eine kleine, einsame Wüstenoase, wo es eine dunkeläugige Schönheit gab, die ihm einfach nicht aus dem Kopf ging â¦
Das machte ihn noch ungeduldiger und unleidlicher, als er es ohnehin schon war. Irgendetwas musste er unternehmen. Etwas, das ihn beschäftigte und ablenkte.
âIch will meinen Bruder sehenâ, verlangte er kategorisch. âUnd deshalb werde ich auf der Stelle zum Palast fahren.â
âAber, Sire , das können Sie nicht.â
âUnd ob ich das kann!â, fuhr Tahir auf, sank aber gleich mit einem Aufstöhnen in die Kissen zurück, als ein scharfer Schmerz seinen Körper durchfuhr.
âSie stehen unter ärztlicher Aufsicht und brauchen weitere Behandlungenâ, beharrte der Arzt. âAndernfalls kann ich keine Verantwortung â¦â
âIch übernehme die Verantwortung für mich selbstâ, entschied Tahir starrköpfig. âAlso geben Sie mir schon meine Sachen!â
âSire â¦â
âUnd hören Sie endlich auf, mich dauernd Sire zu nennen!â
âNa, versprühst du deinen zweifelhaften Charme zur Abwechslung mal in Richtung des medizinischen Personals, kleiner Bruder?â
Beim Ton der trägen, kultivierten Stimme versteifte sich Tahir automatisch. In der Tür lehnte ein hochgewachsener, attraktiver Mann im italienischen MaÃanzug und musterte ihn kritisch aus sehr vertraut wirkenden eisblauen Augen. Erst auf den zweiten Blick registrierte Tahir dahinter das liebevoll spöttische Zwinkern, an das er sich noch von früher erinnerte und entspannte sich auf der Stelle.
âRafiq!â Elf lange Jahre hatte er seinen Bruder nicht gesehen. Das unerwartet starke Gefühl von Freude und Vertrautheit, das Tahir überflutete, überraschte ihn selbst. Er war so sehr damit beschäftigt gewesen, Erfolg im Leben zu haben und Zerstreuung zu suchen, dass für seine Familie kaum ein Gedanke übrig blieb.
Selbst seine Zusage, bei Kareefs Krönung anwesend zu sein, war eher eine Reaktion auf die eindringliche Bitte seines ältesten Bruders gewesen, ihn an diesem wichtigen Tag zu unterstützen, als der Wunsch Tahirs, den Kontakt zu seiner Familie wieder herzustellen.
Aber Rafiqs kräftige Hand auf seiner Schulter, als wolle der sich persönlich davon überzeugen, dass Tahir kein Trugbild seiner Fantasie war, weckte starke Emotionen in ihm.
âDu bist wirklich hier!â, gab Rafiq seinen Gefühlen dann auch noch verbal Ausdruck. Sein Gesicht verzog sich dabei zu einem brüderlichen Grinsen, das von aufrichtiger Freude sprach und Tahir seltsam anrührte. âDie Luftfahrtbehörde hat deinen Notruf aufgefangen, doch die Störungen waren so stark, dass sie die durchgegebenen Koordinaten nicht verstehen konnten und deshalb mitten im Meer nach deinem Helikopter suchten.â
Rafiq schüttelte den Kopf und lachte rau auf.
âWarum überrascht es mich eigentlich nicht, dass du stattdessen mitten aus der Wüste anmarschiert gekommen bist?â
Tahir spürte, wie er sich zunehmend entspannte und sich sogar ein Lächeln auf seine Lippen schlich. Wie oft hatte er sich die Wiederkehr des verlorenen Sohnes in seiner Fantasie ausgemalt? Er wusste es nicht. Auf jeden Fall hatte er
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