Geheimnis um ein blaues Boot
dem wunderbaren Gemälde machten?”
„Ja, sie ist fertig. Leider habe ich eine Verabredung, sonst würde ich sie euch zeigen.” Der Franzose machte eine kleine Verbeugung. „Au revoir! Wir sehen uns bestimmt wieder, wenn ihr öfter herkommt.”
Er eilte davon. Dicki sah ihm gedankenvoll nach. Dann schaute er nach dem Turmbesitzer, Herrn Engler, aus. Im Waffensaal saß ein großer, dunkelhaariger Mann, das mußte er sein. Sehr liebenswürdig sah er nicht aus. Dicki nahm sich vor, auf der Hut zu sein, wenn er mit ihm sprach.
„Sieh dir jetzt die Bilder an, Ern”, sagte er. „Ich will mich unterdessen ein wenig mit dem Turmbesitzer unterhalten.”
Glücklich wanderte Ern durch den großen Saal und betrachtete die Gemälde. Sein Lieblingsbild sparte er sich bis zuletzt auf. Endlich stand er davor und beschaute es entzückt – das hohe Kliff, an dem sich die Wellen brachen, die Seemöwen, die mit dem Wind segelten. Er sah sich in Gedanken in einem Boot auf dem bewegten Meer und hörte den Sturm sausen. Wenn er doch auch so schöne Bilder malen könnte! Das wäre fast noch besser, als bei der Marine zu sein. Aber nein, wenn er es richtig bedachte, wollte er doch lieber zur See gehen.
Nachdem Ern eine Weile vor dem Bild gestanden hatte, stutzte er plötzlich. Er ging näher heran und betrachtete es von allen Seiten. Er kratzte sich den Kopf, ging etwas zurück und kniff die Augen zusammen, als suchte er etwas. Schließlich schüttelte er stirnrunzelnd den Kopf. „Das verstehe ich nicht”, murmelte er. „Ich muß es Dicki sagen.”
Das blaue Boot
Der Turmbesitzer saß auf dem Sofa, hinter dem sich die Spürnasen am Tag vorher versteckt hatten, und las in einem Katalog. Er hatte eine große Hakennase und buschige Augenbrauen. Dicki beobachtete ihn eine Weile verstohlen von der Tür aus. Er sieht eigentlich nicht wie ein Mensch aus, der alte Gebäude wegen ihrer Schönheit kauft, dachte er bei sich, sondern eher wie ein tüchtiger Geschäftsmann. Warum mag er den einsam gelegenen Turm erworben haben? Die Eintrittsgelder bringen bestimmt nicht viel ein, nur im Sommer kommen hier ein paar Menschen herauf. Ob ihm die Bilder auch gehören?
Endlich ging Dicki auf Herrn Engler zu und sprach ihn höflich an. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, mein Herr. Sind Sie der Besitzer dieses Turms?”
„Wie?” Der Mann sah auf und antwortete: „Ja, mein Junge, ich habe den Turm vor einiger Zeit gekauft. Aber das war ein schlechtes. Geschäft. Hier kommen nur wenige Besucher her.” Herrn Englers Aussprache ließ sogleich den Ausländer erkennen.
„Die meisten kommen wohl her, um das Gespenst heulen zu hören”, erwiderte Dicki. „Wir haben es gestern gehört. Das war eine gute Vorstellung. Wie wird es gemacht?”
„Gemacht? Kein Mensch weiß, wie arme unglückliche Gespenster heulen und warum sie das tun.”
„Heutzutage heulen sie doch wohl nur, wenn ein Mechanismus in Bewegung gesetzt wird”, entgegnete Dicki kühn.
Herr Engler fuhr ärgerlich auf. „Willst du etwa behaupten, es gäbe hier gar kein Gespenst? Ach, es ist ein unseliges Wesen und jammert herzerweichend.”
„Aber es heißt doch, daß Gespenster heulen, um dem Hausbesitzer ein Unglück anzukündigen”, sagte Dicki mit unschuldiger Miene. „Gestern hat das Gespenst hier geheult. Nehmen Sie sich also in acht. Wenn das Heulen allerdings von einem Mechanismus herrührte, brauchen Sie nichts zu befürchten. Ist das wirklich nicht der Fall?”
„Mein Junge, ich erlaube dir, den ganzen Turm zu durchsuchen und in alle Ecken und Ritzen zu gucken, ob irgendwo ein Mechanismus verborgen ist”, sagte Herr Engler hoheitsvoll.
„Vielen Dank, das ist sehr freundlich, aber ich glaube Ihnen auch so. Sie haben hier herrliche Seebilder ausgestellt. Aus welcher Sammlung stammen sie?”
„Du scheinst ein heller Bursche zu sein”, sagte Herr Engler, von Dickis gewandter Redeweise beeindruckt.
„Die Bilder stammen aus einem Schloß in Österreich, das einem Vetter vor mir gehört. Er hat sie mir geliehen. Sie sind wirklich wundervoll, aber nur wenige Besucher haben dafür Verständnis. Ein paar Maler kommen her, um sie zu kopieren, sonst finden sie nicht viel Interesse.”
„Sind die Gemälde wertvoll?”
„O ja, sie sind viele Tausende wert!”
„Befürchten Sie nicht, daß jemand sie stehlen könnte?”
Herr Engler lachte. „Es ist nicht so leicht, ein großes Bild aus dem Rahmen zu nehmen und unbemerkt fortzutragen. Glaubst du, daß du
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