Geheimnis um einen entführten Prinzen
hinjagen”, erwiderte Dicki ungeduldig. „Sie brauchen nur Chefinspektor Jenks anzurufen und ihm alles zu erzählen. Er wird Ihnen dann schon sagen, was Sie tun sollen.”
Das Gesicht des Polizisten färbte sich dunkelrot. „Habe ich dem Chef nicht neulich von der Prinzessin erzählt? Aber du hattest mich nur angeführt, um mich bei ihm unmöglich zu machen. Du brauchst gar nicht den Kopf zu schütteln. Ich weiß, daß es so war. Und nun soll ich ihm wieder eine alberne Geschichte erzählen? Das tue ich auf keinen Fall!”
„Na, wenn Sie ihn nicht anrufen wollen, kann ich es ja tun. Aber wenn ich dafür ein Lob bekomme, ist es Ihnen auch wieder nicht recht.”
„Du hast überhaupt nicht zu telefonieren!” fuhr Herr Grimm auf. „Warum mußt du dich immer überall einmischen? Dieser Fall ist mir übertragen. Laß also die Finger davon. Du bist ein ganz ….”
Dicki führte sein Rad auf die Straße und stieg auf. Während er langsam losfuhr, rief er: „Sagen Sie, hat der Zigeuner, mit dem Sie um mein Rad kämpften, eigentlich noch seinen Schnürsenkel zugebunden?”
Ohne eine Antwort abzuwarten, sauste Dicki davon und verschwand in der Dunkelheit. Der Polizist starrte ihm verdutzt nach. Woher wußte Dietrich, daß der Mann gesagt hatte, er wolle seinen Schnürsenkel zubinden? Das hatte Herr Grimm ihm doch gar nicht erzählt!
Plötzlich erkannte er die Wahrheit. Er stolperte ins Haus zurück und ließ sich schwer in seinen Sessel sinken. Der Hausierer war Dicki gewesen! Er hatte dem Jungen sein eigenes Rad abgenommen und es ihm dann wieder zurückgegeben, ohne mit einem Wort das Fehlen der Lampe zu bemängeln.
Warum hatte er sich nur die Geschichte von dem Kampf mit dem Zigeuner ausgedacht! Wie mußte Dietrich darüber gelacht haben! Lange malte sich Herr Grimm all die Dinge aus, die er Dicki am liebsten angetan hätte. Aber er wußte genau, daß es niemals dazu kommen würde. Dicki war einfach zu schlau.
Das Klingeln des Telefons riß Herrn Grimm aus seinen düsteren Gedanken. Wütend griff er nach dem Hörer. Falls es wieder dieser Bengel war, wollte er ihm tüchtig die Meinung sagen.
Aber nicht Dicki, sondern ein Beamter des Polizeipräsidiums meldete sich am Apparat. „Ist dort Herr Grimm? Ich soll Ihnen etwas von Chefinspektor Jenks ausrichten. Es hat sich herausgestellt, daß der Junge, der aus dem Zeltlager verschwunden ist, gar nicht der richtige Prinz war. Die anderen Jungen im Lager, denen man Photographien von Prinz Bongawah gezeigt hat, haben ihn nicht darauf erkannt. Der Chefinspektor läßt fragen, ob Sie schon etwas davon wissen. Sie möchten ihm möglichst bald über den Fall berichten.”
Herr Grimm riß den Mund auf und wußte nicht, was er sagen sollte. Hatte Ern etwa doch die Wahrheit gesagt? War der Prinz wirklich in einem Kinderwagen versteckt worden? Aber soeben hatte Dicki ja behauptet, es sei gar nicht der Prinz sondern ein Zigeunerjunge gewesen. War auch das die Wahrheit?
„Sind Sie noch da, Herr Grimm?” fragte der Beamte.
„Haben Sie mich verstanden?”
„Ja – ja – ich habe alles verstanden.” Herr Grimm hatte das Gefühl, einen weiten Weg gegangen zu sein.
„Vielen Dank für die Nachricht. Ich – werde – darüber nachdenken und in Kürze einen Bericht senden.”
„In Ordnung! Gute Nacht, Herr Grimm!”
Mit zitternder Hand legte Herr Grimm den Hörer auf. Dann ließ er sich wieder stöhnend in seinen Sessel fallen. Warum hatte er dem Chef bloß nicht erzählt, was Ern ihm gesagt hatte? Nun war ihm jemand zuvorgekommen. Herr Grimm begann sich zu fragen, ob er vielleicht doch nicht so klug sei, wie er bisher immer geglaubt hatte.
„Von der Prinzessin, die gar nicht existiert, habe ich dem Chef berichtet”, dachte er bei sich. „Aber davon, daß der Prinz in einem Kinderwagen mit Zwillingen fortgebracht worden ist, hab’ ich ihm nichts gesagt. Dietrich ist mit seiner Bande natürlich nur nach Tiplingen gefahren, um sich nach den Zwillingen und ihrer Mutter umzusehen.”
Eine Weile brütete Herr Grimm vor sich hin. Dann fiel ihm ein, daß Dicki gesagt hatte, Prinz Bongawah solle im Raylinger Moor sein. Ob das stimmte? Konnte er es wagen, dem Chef davon zu berichten? Oder würde es sich dann herausstellen, daß es ein solches Moor gar nicht gab?
Der Polizist geriet in große Aufregung. Er sprang auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Hin und wieder griff er sich stöhnend an den Kopf. Er mußte etwas unternehmen. Er würde noch seine
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