Geheimnis von St. Andrews
Hinterhalt zu.
Aber weshalb hatte er sie noch nicht getötet, sondern hielt sie stattdessen in diesem Kabuff gefangen?
Darüber konnte Cherry nur vage spekulieren. Sie wollte sich lieber selbst befreien. Ihr war eine neue Idee gekommen. Sie nahm einen der Holzscheite zur Hand, die an den Wänden aufgestapelt lagen. Cherry wollte versuchen, ihn als Hebel zu benutzen, um die verriegelte Tür aufzubrechen. Doch das war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Das erste Stück Brennholz war viel zu breit, um in den Spalt zwischen Tür und Rahmen zu passen. Da es stockfinster war, konnte Cherry ein geeignetes Stück Holz nur mithilfe ihres Tastsinns auswählen. Das zweite Stück Holz passte besser. Doch als sie es eingepasst hatte und dagegendrückte, brach es sofort ab. Cherry war so verzweifelt, dass ihr ein paar Tränen über die Wangen liefen, bevor sie weitermachte. Vermutlich war es sinnlos, denn Tür und Rahmen waren aus massivem Metall. Aber Cherry konnte nicht einfach dasitzen und darauf warten, dass das Schicksal ein Einsehen mit ihr hatte. Sie musste handeln.
Plötzlich klingelte ihr Handy.
Cherry stieß einen Jubelschrei aus. Jetzt hatte sie die Chance, um Hilfe zu bitten. Doch leider lag ihr Handy irgendwo auf dem Boden neben ihr. Das Display leuchtete auf. Hastig griff sie nach dem Gerät, doch in der Aufregung rutschte es ihr wieder aus der Hand. Inzwischen hatte das Mobiltelefon schon mehrere Male geklingelt. Als Cherry das Gespräch endlich annehmen konnte, hatte der Anrufer soeben aufgegeben. Auf dem Display erschien die Nachricht: 1 Anruf in Abwesenheit: Mark.
Am liebsten hätte Cherry das Handy auf den Boden geworfen und zertrampelt. Doch sie beherrschte sich, obwohl ihre Enttäuschung grenzenlos war. War sie denn nur vom Pech verfolgt? Aber dann meldete sich ihr Telefon zum Glück erneut. Diesmal konnte sie es sofort aktivieren, obwohl ihre Hände heftig zitterten.
„Hallo?“
„Hier ist Mark. Ich habe gerade eben schon versucht, dich zu erreichen. Bist du okay, Cherry? Deine Stimme klingt so seltsam. Soll ich lieber wieder auflegen?“
„Ja! Ich meine, nein! Bitte lege nicht auf, keinesfalls. Ich bin so froh, dass du anrufst. Du wirst nicht glauben, was mir passiert ist.“
Cherry erzählte, wo sie sich befand und wie sie dorthin gekommen war. Als Mark antwortete, klang seine Stimme sehr aufgeregt. Es schien ihm viel an ihr zu liegen, dessen war sie sich sicher.
„Ich hole dich da sofort raus. Und ich werde auch die Polizei anrufen. Wir müssen damit rechnen, dass der Täter sich noch irgendwo in der Nähe herumtreibt.“
„Ja, das fürchte ich auch. Sei vorsichtig, Mark. Bis gleich.“
Als Cherry das Gespräch beendet hatte, klopfte ihr Herz heftig. Sie konnte ihre Ungeduld kaum bezwingen, während sie zugleich eine ungeheure Erleichterung empfand. Sie spürte, dass sie sich auf Mark hundertprozentig verlassen konnte. In diesem Moment hatte sie daran keinen Zweifel mehr. Jetzt konnte ihr nur noch Blackburn einen Strich durch die Rechnung machen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, die Polizei zu verständigen. Wenn er nun eine Verzweiflungstat beging, weil er von den Beamten in die Enge getrieben wurde, und Cherry als Geisel nahm?
Kaum war ihr dieser beängstigende Gedanke gekommen, hörte sie das Geräusch von Polizeisirenen, die sich näherten. Cherry hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie wusste nicht, wie viele Minuten seit ihrem Telefonat mit Mark verstrichen waren. Aber es konnte noch nicht lange her sein.
Sie stellte sich in Kampfstellung vor die Tür. Falls Blackburn sie jetzt überwältigen wollte, würde sie ihn mit einem Karatetritt empfangen. Er konnte nicht wissen, dass sie eine Kampfsportart beherrschte. Diesen Überraschungseffekt würde sie für sich nutzen. Von draußen drang das Geräusch quietschender Reifen an ihr Ohr. Autotüren wurden zugeschlagen, es folgte der Klang von schnellen Schritten auf den Kieswegen des Friedhofs. Dann schob endlich jemand den Riegel zurück und öffnete die Tür.
Cherry blickte in die Gesichter von Sergeant Murdoch – und von Mark. Im Hintergrund war auch Officer Hickey zu sehen.
Ohne ein Wort zu sagen, umarmte Cherry Mark. Sofort fiel die nervliche Anspannung von ihr ab, als er sie an sich zog und ihr beruhigend über das Haar strich.
Einen Moment lang blieben sie und Mark eng umschlungen stehen, bis sich Sergeant Murdoch räusperte.
„Sind Sie verletzt, Miss Wynn? Haben Sie eine Ahnung, wer Sie
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