Geheimnisse der Lebenskraft Chi
Haltung, in seiner Familie seit Generationen überliefert. In keinem meiner vielen Chi-Gong-Bücher habe ich diese Haltung je beschrieben oder illustriert gefunden.
Durch diese Haltung der beiden Hände einander gegenüber - yin und yang - bildet sich nach Dr. Chows Worten ein Energiefeld rings um den Kopf, das Gehirn, Augen und Gesicht ernährt. Die meisten in alten, aber auch neuen Büchern beschriebenen Haltungen, fügt er hinzu, berücksichtigen die Polaritäten des Körpers nicht. Jede Übung wird wohl ein gewisses Maß an Chi erzeugen, aber nicht unbedingt ein starkes
Energiefeld. Abschließend erklärt er: »Die meisten Chi-Gong-Stellungen in Büchern nur zum Üben gut.«
In der neuen Haltung kommt es immer wieder zu eigentümlichen visuellen Phänomenen: Von den Fingern beider Hände scheinen Energieströme auszugehen und sich in der Mitte zu treffen. Oftmals fühlen sich die Finger so an, als würden sie gleich aufplatzen wie die kleinen Silvesterknaller, die ich als Junge in der Hand gehalten habe. Als ich die Haltung über einige Wochen eingeübt habe, wird das Chi plötzlich sehr stark und dröhnt in meinem Körper wie ein großer schwingender Kürbis. Ich habe nichts Vergleichbares je zuvor gefühlt. Für die Außenwelt bedeutet das, was ich erreicht habe - was Chi erreicht hat -, nicht viel. Aber ich stehe auf John Muirs Berggipfel und spreche seine Worte: »Von hier aus wirkt alles in der Welt Erstrebenswerte nichtig.«
Verweile entspannt in der leeren Weite, und das Chi wird folgen.
Die Innere Medizin des Gelben Kaisers
TAFELGESPRÄCH
Dr. Chow isst alles. Hühnerfleisch baut Energie schneller auf als strenge Gemüsekost, erklärt er mir, als wir im Chinarestaurant an einem Tisch Platz nehmen. Er bleibt beim Thema und führt weiter aus, er könne unmöglich alle Tage so viel Chi verschenken, wenn er nicht gelegentlich Fleisch zu sich nehmen würde. Wir warten mit der Bestellung noch, bis meine Freundin Tamiyo kommt, und ich erwähne, dass ich aus ganz eigenen Gründen fleischlos lebe. Er nickt verstehend und wirft ein, es gebe Meister, die überhaupt nichts essen müssen. Sie leben von dem wenigen Chi, das sie der Atemluft oder ihren Getränken entnehmen. Die Archäologen hätten bei Mawangdui in der Provinz Hunan ein Han-Grab entdeckt und darin ein vor über zweitausend Jahren auf Seide geschriebenes Buch gefunden. Sein Titel laute übersetzt Wie man den Speisen entsagt und von Chi lebt. Aber, fügt er hinzu, wenn ein Meister nur von Luft und Getränken lebt, kann er nicht sehr oft Chi werfen, dann würde er seinen Energievorrat sehr rasch aufbrauchen.
Dann steht die Kellnerin da, dreht unsere Trinkschalen um und stellt eine Kanne grünen Tee in die Tischmitte. Dr. Chow schenkt die Schalen randvoll, während sich eine Frau lächelnd
unserem Tisch nähert. Es ist Tamiyo, duftend und schön. Als sie ihren Stuhl abrückt, ruht ringsum so mancher Blick auf ihr. Wir haben uns vor einem Monat während eines Tai-Chi-Kurses, den Dr. Chow in einem Untergeschossraum seiner Praxis gibt, beim Flattern mit den Armen kennengelernt. Das Flattern der Herzen folgte bald, und jetzt sehen wir uns regelmäßig. Dr. Chow wendet sich der Kellnerin zu und bestellt aus Rücksicht auf mich - nicht nötig, sage ich - und unter Verzicht auf seine gewohnte Kost gedämpftes und in Öl gedünstetes Gemüse jeglicher Art, dazu reichlich geschmorten und gebackenen Tofu.
Zuvor kommt eine Eierflockensuppe. Während Dr. Chow die Suppe austeilt, erläutert er, dass Eigelb gut fürs Gehirn sei. Es folgt die Hauptspeise, und die allgemeine Gesprächslautstärke ringsum ist inzwischen deutlich angestiegen.Als ich meinen ersten Bissen Tofu nehme, beugt sich Dr. Chow herüber und flüstert: »Zu viel Tofu macht Sexlust weniger.« Auf solch eine Warnung war ich von ihm nicht gefasst, aber es ist klar, dass er jetzt nicht als mein Lehrmeister spricht.Wir sind privat hier.
Wir lassen es uns richtig schmecken. Eines der Gemüsegerichte hat eine deutliche Knoblauchnote, und Dr. Chow singt das Loblied des Knoblauchs; er tue allen Organen gut, nur auf die Augen übe er gar keine Wirkung aus. Tamiyo trägt eine silberne Halskette mit farbigen Steinen, über deren Schönheit sich Dr. Chow auslässt. Ich nehme die Gelegenheit wahr, um ihn über einen ganz anderen, wenngleich ebenfalls schönen Stein zu befragen. Ich meine die Steine, die man angeblich in den Überresten eingeäscherter Yogis findet. Solche Steine sollen von großer Kraft
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