Geheimnisse einer Sommernacht
Hüften gestemmt, hilflos daneben.
„Was ist los?“, fragte Annabelle bestürzt.
„Die Blamage war zu groß für sie. Einen Lachkrampf hat sie“, erklärte Daisy.
Kichernd barg Evie ihr Gesicht in einer Serviette und rollte sich auf der Decke hin und her. Ihre Ohren waren tomatenrot. Je mehr sie versuchte, sich zu beherrschen, desto unkontrollierter musste sie kichern. „T…Tolle Unterbrechung beim R…
Rasen sport“, brachte sie zwischen immer neuen Lachanfällen und verzweifeltem Luftholen hervor.
Die anderen drei sahen ihr hilflos zu. „Das ist ein Koller“, erklärte Daisy mit einem bedeutungsvollen Blick zu Annabelle.
Im gestreckten Galopp entfernten sich Hunt und Westcliff von der Lichtung. Erst im Wald ließen sie ihre Pferde wieder Schritt gehen. Es dauerte gute zwei Minuten, bis einer von ihnen reden wollte oder überhaupt fähig dazu war. Simons Kopf schwirrte von Annabelles Anblick. Ihre festen, üppigen Formen in alter, vom vielen Waschen zerschlissener und eingelaufener Unterwäsche. Zum Glück hatten sie sich nicht alleine auf der Lichtung befunden.
Er wusste genau, dass er sich unter anderen Umständen geradezu barbarisch benommen hätte.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er ein so heftiges Verlangen verspürt wie in dem Moment, als er Annabelle in diesem Aufzug auf der Lichtung erblickt hatte. Am liebsten wäre er vom Pferd gesprungen, hätte Annabelle in die Arme genommen und sie zu dem nächsten weichen Flecken im Gras getragen. Er konnte sich keine ruchlosere Versuchung vorstellen als den Anblick dieses verführerisch kurvenreichen Körpers, der seidigen, rosigen Haut und der braunen, zerzausten Haare, die in der Sonne glänzten. Über und über rot war sie geworden, bezaubernd hatte sie ausgesehen in ihrer Scham. Er hätte ihr das verschlissene Unterzeug vom Leibe reißen, sie vom Kopf bis zu den Zehen mit Küssen bedecken, sie an geheimen, weichen Stellen liebkosen mögen.
Nein, rief sich Simon leise zur Ordnung. Er spürte das Blut heiß in den Adern wallen, aber er durfte diesen Gedanken nicht weiter verfolgen. Sein wildes Verlangen würde den Rest des Ausritts für ihn sonst recht unbequem machen. Als er seine Erregung unter Kontrolle hatte, blickte er vorsichtig zu Westcliff, der offensichtlich tief in Gedanken war. Sehr ungewöhnlich für den Earl.
Die beiden Männer waren seit ungefähr fünf Jahren befreundet. Kennengelernt hatten sie sich bei einem Abendessen eines sehr fortschrittlichen Politikers, den sie beide gut kannten. Es war kurz nach dem Tod von Westcliffs autoritärem Vater. Marcus, der neue Earl, hatte die Verwaltung der Geschäftsinteressen seiner Familie übernehmen müssen und sofort festgestellt, dass die Finanzen zwar auf den ersten Blick gesund schienen, in Wahrheit aber kränkelten – wie ein Patient, dem man sein schweres Leiden nur noch nicht ansah. Als der neue Earl of Westcliff bei der Durchsicht der Geschäftskonten auf ständige Geldverluste gestoßen war, hatte er entschieden, dass drastische Veränderungen stattfinden mussten. Er war fest entschlossen, nicht den schicksalhaften Weg anderer Aristokraten zu gehen, die ihr Leben lediglich damit zubrachten, den Vorsitz über ein unaufhaltsam schrumpfendes Familienvermögen zu führen. Im Gegensatz zu den Romanen, in denen zahllose Adlige ihr Tafelsilber am Spieltisch verloren, waren die modernen britischen Aristokraten im Allgemeinen nicht so leichtsinnig. Sie waren einfach nur unfähige Geschäftsleute. Durch rückständige Geldanlagen, altertümliches Geschäftsgebaren und glücklose Finanzaktionen schwand der Reichtum des Adels allmählich und erlaubte einer neuen aufstrebenden Klasse von Kaufleuten, auf der Leiter des gesellschaftlichen Erfolges aufzusteigen. Alle, die den Einfluss von Wissenschaft und Technik auf die wachsende Wirtschaft nicht wahrhaben wollten, würden im Laufe des schnellen allgemeinen Wandels den Anschluss verpassen. Zu denen wollte Westcliff nicht gehören.
Damals, als Simon und Westcliff sich anfreundeten, war es ein reines Zweckbündnis gewesen, jeder brauchte den anderen. Westcliff wollte Nutzen aus Simons geschäftlichem Instinkt ziehen, und Simon wollte durch Westcliff den Zugang zur Welt der feinen Gesellschaft erreichen. Aber je besser sie sich kennenlernten, desto offensichtlicher wurde es, dass sie sich in vielem ähnelten. Beide waren sie exzellente Reiter und begeisterte Jäger, beide brauchten sie ständige körperliche Ertüchtigung als Ventil für ein
Weitere Kostenlose Bücher