Geheimnisvoll wie der Orient
ausmalen können. Froh, endlich den Wüstensand los zu sein, war sie nach dem Bad nicht direkt in das Zelt zurückgekehrt, sondern hatte sich auf eine kleine Erkundungstour durch die Oase begeben. Gefolgt von einer Schar neugieriger Kinder, war sie unter Palmen dahingeschlendert, bis sie schließlich am Rand des Lagers zu einem tiefen Wasserloch gelangte. Fasziniert hatte sie sich zu dem von blühendem Oleander umstandenen Bassin hinabgebeugt und die Hände in das kalte Wasser getaucht. Flinke Schwalben waren über ihren Kopf hinweggeflogen, und die Blätter der Palmen hatten in der leichten Brise gerauscht. Sie hatte sich bisher keine Gedanken über das Leben in der Wüste gemacht und war hingerissen von dem Kontrast zwischen der herben Schönheit der Sandwüste und dieser lieblichen, farbenprächtigen Oase.
Wie in einem Tagtraum versunken, versuchte Molly nun, die vielen verschiedenen Eindrücke zu verarbeiten. Wie sollte es weitergehen? Die Situation schien völlig verfahren. An Flucht war hier jedenfalls nicht zu denken. Sie erhob sich und ging zu dem schweren Vorhang, der das Zelt verschloss.
„Wohin wollen Sie denn fliehen?“
Erschrocken zuckte sie zusammen. Konnte Tair Gedanken lesen?
Unbemerkt hatte er sich genähert und betrat nun das Zelt. Sein blauschwarzes Haar, das im Kerzenlicht schimmerte, war noch feucht und zerzaust. Offenkundig hatte er ebenfalls gerade ein Bad genommen. Er trug nicht mehr das fließende Gewand, mit dem er durch die Wüste geritten war, sondern ein weißes T-Shirt, das eng an seinem atemberaubend muskulösen Oberkörper anlag. Dazu trug er eine Reithose und Lederstiefel.
Sie ließ den Vorhang los. Er fiel zurück, und flüchtig überkam Molly der Eindruck, dass ihr Schicksal damit besiegelt war.
„Ich bin nicht auf der Flucht, auch wenn es überall besser wäre als in Gefangenschaft. Wenn Sie es genau wissen wollen, ich halte gerade nach Sabra Ausschau.“
„Du kennst die Wüste nicht, sonst würdest du so etwas nicht sagen, ma belle . Und da wir es noch eine Weile miteinander aushalten müssen, sollten wir das Beste daraus machen. Könntest du dir vorstellen, mich Tair zu nennen?“
Seine Stimme klang sanft und verführerisch.
Es fiel ihr schwer, ihre ablehnende Haltung ihm gegenüber beizubehalten. Sie nickte. Ihr war klar, hier ging es um viel mehr als nur um den Vornamen.
„Was wolltest du von Sabra? Ist alles zu deiner Zufriedenheit?“
„Ja, das Essen war fantastisch.“
„Und das Bad?“
Molly nickte. Sie war von dem unbeschreiblichen Luxus überrascht gewesen und hatte sich nur widerstrebend aus dem edel parfümierten Wasser erhoben, um sich gleich darauf mit einem wunderbar duftenden Öl einzureiben, das die junge Frau ihr schüchtern gereicht hatte.
„Ich wollte Sabra fragen, wo ich schlafen werde. Ich nehme an, ich bin allein hier im Zelt?“
Er stand dicht vor ihr. So nah, dass sie die schmale weiße Narbe erkennen konnte. Sie stellte sich vor, wie sie sein Gesicht mit kleinen Küssen überzog. Als sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg, bereute sie sofort, ihre Fantasie nicht besser unter Kontrolle zu haben,
„Das liegt ganz bei dir.“ Sein Blick glitt zu dem niedrigen, mit zahlreichen Seidenkissen dekorierten Diwan. „Doch es kann hier nachts sehr einsam sein.“
Sie schluckte und verschränkte instinktiv die Arme vor der Brust. „Danke, aber ich bin es gewohnt, allein zu sein.“
„Keine Angst, ich zwinge dich zu nichts. Das habe ich nicht nötig.“
Die Verachtung in seiner Stimme schmerzte.
„Langweilige Frauen in Beige sind nie mein Geschmack gewesen.“ Man konnte diese Frau mit vielen Worten beschreiben, aber langweilig wäre sicher nicht dabei, wenn man auch nur einen Blick in ihre zornesblitzenden Augen warf. Kritisch musterte er ihre Bluse und ihren Rock, beide Kleidungsstücke waren stark verknittert. „Warum hast du das wieder angezogen? Ich habe Sabra angewiesen, dir frische Kleider zu bringen.“
Molly wusste, dass sie nicht zu den Frauen gehörte, denen die Männer Komplimente über ihr Aussehen machten. Dennoch verletzte sie die verächtliche Bemerkung.
„Das hat sie auch. Aber ich ziehe lieber meine eigenen Sachen an. Und da wir gerade über Geschmack reden. Ich persönlich habe nichts übrig für…“, ihre Kehle fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an, und es fiel ihr schwer weiterzureden, „… für Männer, die mich in die Wüste verschleppen.“
„Betrachte es als kleines
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