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Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Titel: Geheimnummer. Kein Sex nach Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Leipert
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ich relativ fortgeschritten schwanger war, würde sie eine Kettenreaktion in Gang setzen, die ich kaum überblicken konnte. Da verkroch ich mich lieber in meinen vier Wänden und bemitleidete mich selbst.
    Ich hatte eine gewisse Übung darin, mich an Feiertagen selbst zu bemitleiden, da unsere Familie oft zerstritten und ich nicht selten der Grund dafür war. Den größten Teil der Weihnachtszeit verschlief ich ohnehin. Ich konnte inzwischen überall und zu jeder Tageszeit einschlafen. Auf dem Sofa, in der Badewanne, vor dem Fernseher. Wenn ich mal nicht schlief, blätterte ich in den Schwangerschaftsbüchern, mit denen Tina mich gleich nach meiner feierlichen Eröffnung dieser Neuigkeit überhäuft hatte, um nicht wieder alles auf den letzten Drücker zu erledigen. Wenn ich es schon allein durchstehen musste, wollte ich wenigstens gut vorbereitet sein. Aber schon bei der detailgenauen Beschreibung der Geburt bekam ich Schmerzen. Und als ich las, dass das Kind längst Einflüsse von außen wahrnahm, beschloss ich besorgt, weniger zu schlafen und fernzusehen und mehr intellektuelle Reize auszusenden. Ich durchstöberte meine alte CD-Sammlung, bis ich überzeugt war, dass sie den Musikgeschmack des Kindes negativ beeinflussen würde. Nachdem ich ihm schließlich den ersten Akt von Macbeth auf Englisch vorgelesen hatte und das Baby sich vor Langeweile gar nicht mehr bemerkbar machte, ließ mein erzieherischer Elan schnell wieder nach. Ich legte mich aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Das Baby sollte lieber gleich mitbekommen, bei was für einer Mutter es gelandet war.
    Je länger Weihnachten dauerte, desto zäher zogen sich die Stunden hin. Das Entenessen bei meiner Mutter fand immer am Abend des zweiten Feiertages statt, was ich noch nie für eine gute Idee gehalten hatte. Schließlich hatte dann jeder in der Regel schon zwei nervenzehrende Tage bei der einen oder anderen Familie hinter sich und konnte keine Dreigängemenüs mehr sehen.
    Tim hatte keine Familie mehr. Seine Eltern waren vor Jahren bei einem Autounfall umgekommen, und deswegen beneidete er mich immer um meine, auch wenn sie noch so zerstritten waren. Vermutlich saß er gerade genauso einsam und gelangweilt zu Hause herum wie ich. Zu Tina konnte er ja schlecht. Eigentlich war es ein guter Zeitpunkt für ein sachliches, klärendes Gespräch über das Baby. Ich könnte ihn bitten, vorbeizukommen, um seine restlichen Sachen abzuholen. Und wenn er schon mal hier war, könnte ich ihm von unserem Nachwuchs erzählen, zumal er es dann ohnehin längst mit eigenen Augen gesehen hätte. Ich könnte es ihm auch kurz und schmerzlos am Telefon erzählen, und er konnte selbst entscheiden, ob er dann noch vorbeikommen wollte. Eigentlich wäre es besser, wenn er nicht käme. Seine Stimme konnte ich gerade so ertragen, ohne gleich in Tränen auszubrechen. Tim selbst von Angesicht zu Angesicht aber nicht. Nein, ein Anruf musste reichen. Mehr konnte er nun wirklich nicht von mir verlangen.
    Ich spielte im Kopf verschiedene Versionen des Gesprächs durch und machte mir Stichpunkte, um auf die unterschiedlichsten Gefühlsausbrüche und Anschuldigungen vorbereitet zu sein. Dann stöpselte ich mein Telefon wieder ein, das im selben Moment anfing zu klingeln. Ich hielt es zunächst für eine natürliche Reaktion meines Telefons darauf, wieder ans Netz angeschlossen worden zu sein, aber es klingelte immer weiter. Nach dem fünften Mal nahm ich schließlich ab und sagte vorsichtig »Hallo«, weil ich eine Art Testroboter der Telekom am anderen Ende erwartete.
    »Kind, ist dein Telefon etwa immer noch kaputt?«
    »Nein, Mama, wir telefonieren doch gerade.«
    »Ich versuche es schon den ganzen Tag. Wie geht es dir denn? Hast du noch Fieber?«
    »Ja, aber es geht schon besser. Ich schlafe viel, deswegen war das Telefon nicht angeschlossen. Was ist denn, seid ihr nicht mehr beim Essen?«
    »Wir machen gerade Verdauungsyoga, damit wir wieder Platz für den Nachtisch haben. Und weil du schon nicht mitessen konntest, wollten wir dir wenigstens alle frohe Weihnachten wünschen, mein Schatz. Wir reden dann ein anderes Mal über alles, ja? Jetzt erhol dich erst mal gut.«
    Bevor ich ihr sagen konnte, dass sich meine Meinung zu dem, was sie mit »alles« meinte, nicht geändert hatte und ich nicht ihre Trauzeugin sein würde, hatte sie den Hörer schon an meinen Vater weitergereicht. Nach dem klassischen »Wie geht’s? Frohe Weihnachten! Und hoffentlich wird das Wetter bald

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