Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Titel: Geheimnummer. Kein Sex nach Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Leipert
Vom Netzwerk:
besser«, wurde ich an Chris durchgereicht, der auch nicht viel mehr, das dafür aber umso lässiger zu sagen hatte. Plötzlich war ein leichter Stimmenwirrwarr am anderen Ende zu hören, das Telefon wurde erneut weitergereicht, und dann herrschte eine peinliche Stille in der Leitung. Ein Räuspern.
    »Karina?« Mir rutschte das Herz in die Hose. »Hallo? Hier ist Tim.« Natürlich hatte ich ihn längst an der Stimme erkannt, aber was hatte Tim bei meiner Mutter zu suchen? Wieso hatte mich keiner gewarnt? Ich hätte ihm schließlich einfach so schwangeren Bauches in die Arme laufen können.
    »Hallo«, antwortete ich viel zu leise und dann noch mal lauter: »Äh, hallo.«
    »Frohe Weihnachten«, sagte Tim langsam, als müsse er es erst von einer Karte ablesen, die meine Mutter ihm hinhielt.
    »Danke, wünsche ich dir auch«, erwiderte ich genauso einfallslos. Stille. Damit war der offizielle Teil des Gesprächs schon erledigt, und wir waren gezwungen zu improvisieren.
    »Wie geht es dir?«, fragte Tim schließlich, und es schnürte mir fast die Kehle zu. Es war unfair, so etwas zu fragen. Wie sollte es mir schon gehen? Und es war überhaupt unfair, mich einfach so mit dieser unverschämt sanften Stimme zu überfallen. Wenn er eine laute Kaugummistimme gehabt hätte wie Chris oder wenigstens einen eingeschnappten, vielleicht sogar hasserfüllten Unterton. Aber nein, er musste natürlich ausgerechnet sein gesamtes pädagogisch wertvolles Mitgefühl in seine Stimme legen. Ich riss mich zusammen und antwortete überzeugender als erwartet: »Gut! Sehr gut!«
    »Deine Mutter meinte, du hättest Grippe. Ist es schlimm?«
    Richtig. Meine Grippe. Ich gab schnell eine amateurhafte Akustikversion des sterbenden Schwans von mir, dann antwortete ich wie selbstverständlich: »Nein, es geht schon viel besser, meinte ich natürlich.«
    »Dann ist ja gut.«
    »Ja.« Unser Gespräch wurde ja immer geistreicher. »Ich wusste gar nicht, dass meine Mutter dich auch zum Essen eingeladen hatte.« Na ja, höflich war das nicht, aber es entsprach zumindest der Wahrheit.
    »Hatte sie eigentlich auch nicht. Ich bin sozusagen für dich eingesprungen. Weil das Essen ja nun mal weg muss.«
    »Stimmt, verkohlte Ente kann man schlecht einfrieren.«
    Tim musste trotz allem kurz lachen. Ich bekam eine Gänsehaut. Wie ich sein Lachen vermisste! Eigentlich war es ja mehr ein Kichern oder ein Schnauben oder irgendetwas dazwischen, aber ich hörte es gerne. Besonders, wenn ich ihn zum Lachen brachte, was sehr schwierig war, weil er einfach ein sehr ernster Mensch war. Tim stimmte mir leise in Sachen Kochkünste meiner Mutter zu, und endlich wurde unser Gespräch etwas gelöster.
    »Dafür war die Dosensuppe ausgezeichnet,« beendete Tim seine kurze Beurteilung des Festmahls.
    »Ja, das ist ein altes Familiengeheimnis. Die Koordinaten des Supermarktes werden erst auf dem Sterbebett an die nächste Generation weitergegeben.«
    Tim lachte wieder, und diesmal kicherte ich auch ein wenig. Dann verstummten wir fast gleichzeitig, und nach einem kurzen Moment der Stille fragte Tim: »Bist du eigentlich auch gut versorgt?«
    Ich hielt den Atem an. Was meinte er damit? Hatte Tina sich etwa doch verplappert? Wusste er längst über meine Schwangerschaft Bescheid und war nur zu lieb, um mir ordentlich die Meinung zu geigen, wie ich es verdient hätte?
    »Ich meine, wegen der Grippe«, fügte er schließlich hinzu, und ich atmete erleichtert aus.
    »Jaja, klar, natürlich«, erwiderte ich, ohne nachzudenken, und im gleichen Moment hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen. In Tims Sprache war das gerade mindestens ein Angebot gewesen, mir Medikamente oder selbstgemachte Hühnersuppe vorbeizubringen, wenn nicht sogar mehr. Er hatte es extra so nebenbei und unpersönlich gesagt. Er hatte nicht gefragt, ob jemand oder Daniel mich versorgte. Nein. Ob ich gut versorgt war. War ich das? Abgesehen davon, dass ich gar nicht krank war, war ich ziemlich schlecht versorgt. Äußerst miserabel, um genau zu sein. Herz und Seele zeigten deutliche Mangelerscheinungen.
    Ich versuchte, meinen Fehler wieder rückgängig zu machen, und sagte schnell: »Fürs Erste zumindest. Danke. Ja, ähm, und was machst du so an Silvester?«
    Deutlicher konnte ich nicht werden, ohne Schaden an meinem Selbstwertgefühl zu nehmen. »Skifahren«, kam seine überraschte Antwort zögerlich durch den Hörer.
    »Oh, ähm, schön.« Natürlich hatte er längst Pläne, was hatte ich denn erwartet. Im

Weitere Kostenlose Bücher