Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
Prinzip hatte ich mich mit meiner angedeuteten Einladung schon fast zum Abschuss freigegeben. Nach einer schweigsamen Pause nahm Tim auch dankbar Maß und schoss: »Tja, ähm, Tina zieht es ja neuerdings auch in die Berge.«
Treffer, versenkt! »Ach wirklich!«, antwortete ich lahm.
»Ja. Hat sie dir das noch nicht erzählt?«
Ich konnte nur noch ein leises »Nein« keuchen. Jetzt fuhren sie schon zusammen in den Urlaub. Dann war es also inzwischen offiziell, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis Tina sich von Aygün scheiden ließ.
»Ja, wir feiern Silvester beide in den Alpen«, bohrte Tim noch etwas in der Wunde. »Und du?«
»In Hamburg«, erwiderte ich knapp. Ein gemeinerer Gegenzug fiel mir nicht ein.
»Mmh. Na ja, viel Spaß dann. Tschüs«, beendete Tim das Gespräch abrupt und hing auf. Ich starrte eine Weile benommen in den Hörer. Dann fegte ich die Zettel mit den Stichpunkten vom Tisch. Sie waren mir keine große Hilfe gewesen. Von wegen »Das Beste für unser Baby« und »Es geht nicht um uns«. Es gab schlichtweg kein »Wir« mehr und daher auch nicht »unser Kind«. Von jetzt an war es nur noch mein Baby. Und das würde es auch bleiben.
Schöne Bescherung
Ich warf mir eine Jacke über und stattete Ecki in Jogginganzug und Birkenstocks einen Besuch ab. Er hatte auch an den Feiertagen geöffnet, und ich hatte fast das Gefühl, dass er inzwischen in seinem Kiosk wohnte. Sooft ich auch dort vorbeigekommen war, ich hatte Ecki seinen Laden noch nie verlassen sehen. Der Kiosk war entweder geschlossen oder geöffnet, aber es gab keine Anzeichen dafür, dass Ecki seinen Platz jemals verließ.
Ich tat so, als bräuchte ich dringend Schokolade und etwas O-Saft, um mich über die letzten Stunden der Feiertage zu retten. In Wirklichkeit brauchte ich dringend jemanden zum Dampfablassen. »Können Sie sich das vorstellen, Ecki? Jetzt besitzt Tim sogar die Unverschämtheit, mich an Weihnachten anzurufen, nur um mir zu sagen, dass er mit seiner aktuellen Affäre ein romantisches Silvester in den Alpen verbringt.«
Ecki ließ mich einfach erzählen, und daher machte ich gleich einen Pauschalrundumschlag über untreue Freunde, hinterlistige Freundinnen und Mütter, die unter Jugendwahn litten. Während ich vor mich hinplapperte, führte Ecki mich in sein Hinterzimmer und machte mir einen teeinfreien Nerventee, der nicht einmal schlecht schmeckte. Ich verschlang dazu eine ganze Tafel Schokolade, und als ich damit fertig war, griff ich sogar bei den Äpfeln zu, die Ecki mir hingestellt hatte. Ich redete und redete und hörte erst auf, als jemand den Laden betrat und laut nach Ecki rief.
»Herr Bräuer, sind Sie da?«
Ich erkannte diese Stimme sofort. Das Letzte, was ich heute noch gebrauchen konnte, war, Tim hier und jetzt völlig unvorbereitet über den Weg zu laufen. Entsetzt sprang ich auf und drängte mich in James-Bond-Manier an die Wand neben dem Türrahmen, in dem leider keine Tür mehr hing. Mit komplizierten Handzeichen gab ich Ecki zu verstehen, dass ich nicht hier und Tim gegenüber auch noch nicht schwanger war, was er natürlich nur unzulänglich verstand. Ecki schlurfte in den Verkaufsraum.
»Entschuldigen Sie, Herr Bräuer. Habe ich Sie gestört? Haben Sie Besuch?«
Ich wagte kaum zu atmen. Jetzt kam es ganz auf Eckis Überzeugungskraft an. Ich hatte keine Ahnung, ob er überhaupt bereit war, für mich zu lügen, aber er grummelte gewohnt einsilbig: »Nein. Nur das Radio. Was wollen Sie?«
Allerdings war er dabei so unfreundlich, dass es schon fast wieder verdächtig wirkte. Tim hörte sich zumindest leicht nervös an, als er fragte: »Sehen Sie Karina noch ab und zu?«
Ich schloss meine Augen und betete, dass Ecki auch den zweiten Teil meiner Handzeichen richtig gedeutet hatte.
»Öfter als Sie«, hörte ich ihn antworten und atmete erleichtert auf.
Tim war nun endgültig eingeschüchtert: »Ja, ähm, na ja. Es ist nur … ich habe noch ein … ein Weihnachtsgeschenk für sie. Ich hatte es schon vor längerer Zeit gekauft und … ähm, na ja, es wäre ja schade, wenn … Auf jeden Fall, wenn Sie es ihr vielleicht geben könnten?«
Ein Weihnachtsgeschenk. Wie nett. Ich näherte mich vorsichtig dem Türrahmen und wagte nun doch einen Blick in den Laden. Tim stand mit dem Rücken zu mir, und ich konnte nur einmal kurz sein Gesicht sehen, als er zur Seite schaute. Es war merkwürdig, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen.
Seine Haare waren länger. Viel länger sogar als bei unserem
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