Gehetzt - Thriller
es in Ordnung; sie spürte den vertrauten Abstand, den man normalerweise zwischen sich und jedem in der Nähe befindlichen Lebewesen hielt. So kannte sie es. Sie hörte die Stimmen über sich und versuchte, etwas aufzuschnappen oder irgendwelche Anzeichen dafür mitzubekommen,
ob Gefahr drohte. Es folgten weitere Fragen, und wer auch immer sie stellte, hatte das Zeug zu einem Baritonsänger in der Metropolitan Opera, aber sie konnte die ein zelnen Worte nicht verstehen. Dann hörte sie Michelles Stimme, melodisch, beschwingt, aber sehr ernst, und danach wieder den Vertreter der Staatsmacht. Schließlich ein Schlurfen, Umdrehen, und dann marschierten die Stiefel aus der Tür.
»Gott sei Dank«, brachte Diane halb sprechend, halb seufzend hervor.
Sie blieben in der Dunkelheit, bis sie Chris an der Tür hörten, und im nächsten Moment ging das Licht an, und sie mussten blinzeln und ihre Augen abschirmen. Tom sprang leichtfüßig auf und reichte Gail die Hand. Sie ließ sich von ihm hochziehen.
»Ich bin immer noch ein bisschen steif vom vielen Laufen«, sagte sie.
»Das wundert mich gar nicht«, entgegnete Tom.
Chris wartete, bis sie alle aus dem Keller waren, dann huschte er hinein und holte Weinnachschub. »Keine Ahnung, wie es euch geht«, sagte er, »aber ich köpfe jetzt noch eine Flasche. Oder auch drei.«
Diane schlüpfte hinter ihm zurück in den Keller und nahm ebenfalls zwei Flaschen. Als Chris das sah, sagte er: »Macht ja schließlich keinen Sinn, den ganzen Abend die Treppe raufund runterzulaufen.« Er kicherte und hielt ihr die Tür auf.
»Also«, erklärte Chris, während er keuchend die Treppe hochstieg. »Es waren zwei U.S. Marshals. Keine Ahnung, wie viel sie wissen, aber sie mach ten nicht den Eindruck, als hätten sie eine heiße Spur verfolgt. Sie wirkten nicht einmal übermäßig interessiert. Sie haben behauptet, sie kämen auf Anordnung - auf wessen Anordnung haben sie nicht gesagt - und sollten all deine ehemaligen Kampfgefährten überprüfen.« Er nickte in Gails Richtung. »Es sieht mir fast so aus, als ob irgendjemand
eure Flucht als Vorwand nutzen würde, seine Akten auf den neusten Stand zu bringen.«
»Bei der momentanen Stimmung im Land klingt das gar nicht mal weit hergeholt.« In Toms braunen Augen stand Erleichterung geschrieben. Die vertikale Furche zwischen seinen Augenbrauen schien nicht mehr ganz so tief.
Im Wohnzimmer setzte er sich neben Gail auf eines der Sofas, hielt aber ein wenig Abstand. Irgendwie kam Diane der Raum anders vor, dann sah sie, dass die Jalousien heruntergelassen und die Vorhänge zugezogen worden waren.
»Das Auto, mit dem ihr ge kommen seid«, sag te Chris, »ist das Nummernschild sauber?«
»Es ist ein Leihwagen«, erwiderte Gail. »Wir haben ihn unter falschem Namen angemietet.«
»Wir sollten es trotzdem austauschen«, meinte Chris. »Inzwischen sind sie bestimmt dahintergekommen und haben es landesweit zur Fahndung ausgeschrieben.«
Sie saß da und hörte sich Chris’ Schilderung des Verhörs an, das Michelle und er über sich hatten ergehen lassen. Er versuchte, seine Stimme zu kontrollieren, aber es gelang ihm nicht gut ge nug, um seine Nervosität zu kaschieren. Diane konnte es ihm nicht verübeln. Sie war selber noch total durcheinander und hatte das Gefühl noch nicht abgeschüttelt, das sie unten im Keller erfasst hatte, als ihr bewusst geworden war, dass sie da mit zwei weiteren Flüchtigen hockte und keine einzige Waffe zur Hand hatte. Eine ziemlich prekäre Situation. Diane stand auf, ging zur Küchenzeile, schenkte sich ein Glas Wein ein, blieb dort ste hen, trank viel zu schnell und lauschte von ihrem Standort hinter dem Tresen der Unterhaltung. Dann schlüpfte sie aus der Tür und ging zum Auto, um ihren Revolver zu holen.
Als sie zurückkam, saßen sie alle auf dem Sofa und sahen sie erwartungsvoll an.
»Wo warst du?«, fragte Gail im Plauderton, aber angespannt.
»Ich musste was aus dem Auto holen«, erwiderte Diane und gab ihnen mit ihrem Blick zu verstehen, keine weiteren Fragen zu stellen.
»Wir müssen bald weiter«, meinte Gail.
»Was du nicht sagst. Von mir aus sofort, ich bin bereit.« Diane hatte ihre Hüfte herausgestreckt und ihren Daumen in den Hosenbund ihrer Jeans geschoben. Ihre Hand stand in einem seltsamen Winkel ab, und dann wurde Gail bewusst, dass Dianes Hand auf einem imaginären Halfter ruhte.
»Nein«, widersprach Chris. »Ihr solltet noch warten. Und wenn es nur ein paar Stunden sind. Gebt den
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