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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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schüttelte. Auf gar keinen Fall.
    »Ich brauche jemanden, der auf mich aufpasst«, sagte sie. »Und dir geht es genauso.«
    Sie sah Mel an, und Gail sah Mel an, und Mel sah erst an die Decke und dann zu den beiden. »Ich will nur das Beste. Für euch beide.«

KAPITEL 10
    Diane versuchte, nicht aufzufallen, während Mel sie raschen Schrittes zu den Bahnsteigen führte. Er wich geschickt anderen Leuten aus, indem er seine Schultern nach links und rechts schob, und einen Zusammenprall mit den entgegenkommenden Menschen um Millimeter vermied. Gail ging unmittelbar hinter Diane, so nah, dass sie ihr schon zweimal in die Hacken getreten war, doch Diane war von dem Meer an Eindrücken um sie herum so fasziniert, dass sie das kaum registrierte. Es war unglaublich. In diesem Gebäude gab es mehr Menschen als in ganz Bolton. Wie viele von ihnen wohl Polizisten waren? Sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller und auf eine Art verletzlich, wie sie es noch nie gespürt hatte. Sie erwartete, jeden Moment von der Seite gepackt, überwältigt, zu Boden geworfen zu werden und Handschellen angelegt zu bekommen.
    Im Bahnhof Penn Station roch es wie in einem Zirkus - weiter den Gang hinunter sah Diane einen Popcornstand. Die Julihitze drückte, und obwohl der Bahnhof klimatisiert zu sein schien - bei dem herrschenden Menschengewimmel war das schwer zu sagen -, spürte sie kleine Schweißrinnsale ihren Nacken herunterfließen. Sie war nicht sicher, ob sie nur wegen der Hitze schwitzte. Diane drehte sich um, um nach Gail zu sehen, und hätte beinahe an ihr vorbeigeblickt, so ungewohnt erschienen ihr deren neue Haarfarbe und Frisur noch. Und nicht zu vergessen das Make-up. Die Frau hinter ihr sah partout nicht aus wie Gail, aber das war gut so. Die
schwarze Leinenhose und ihr langes schwarzes, baumwollenes Neckholder-Top mit einem afrikanischen Druckmotiv in Hellblau und Gold betonten ihre schlan ke Figur. Unter der Hose verbargen schwarze, wadenhohe Lederstiefel mit seitlichen Reißverschlüssen ihren verbundenen Knöchel und gaben ihm zugleich Halt. Diane musterte Gail erneut und vergewisserte sich, dass sie beide nicht zu erkennen waren. Wenn sie so einen Gesichtsausdruck hinbekäme wie Gail, wäre sie glücklich wie ein im Dreck suhlendes Schweinchen. Gail ließ nicht die leiseste Spur von Anspannung erkennen. Sie sah aus wie all die Pendler und Reisenden, die einzig darauf bedacht waren, ihre Züge zu erwischen und rechtzeitig in ihre Büros zu gelangen oder wohin auch immer sie unterwegs waren.
    Läden säumten den Gang, die Schaufenster waren voller Auslagen: kleine grüne Freiheitsstatuen, I ♥ NY-Fingernagelknipser, Krawatten, Kaffeetassen, gelbe Miniaturtaxis, Bücher, Schuhe, leuchtend schwarze Hemden mit quer über der Brust und auf den Ärmeln aufgedruckten hellorange brennenden Flammen, Mets-T-Shirts, Yankee-Shorts, Knicks-Boxershorts, Giants-Jacken. Unzählige Gerüche stiegen ihr in die Nase: der Geruch nach Souvlaki, der köstliche Duft backfrischer Bagels, der knoblauchhaltige, nach kross gebratenem Gemüse riechende Dampf von Wokgerichten. Sie versuchte, cool zu bleiben, normal auszusehen und nicht aufzufallen, obwohl sie hochgradig nervös war. Doch trotz ihrer Nervosität entfalteten sich ihre Geschmacksknospen zu voller Größe, und die köstlichen Düfte, die den zahlreichen Restaurants und Delikatessengeschäften entstiegen, ließen ihr das Wasser im Mund zusam men lau fen. De li katessen geschäft. Sie liebte das Wort, es war eines, das sie in ihrer Kindheit nicht kennengelernt hatte, aber es machte Spaß, es aus zusprechen, und ließ einen weltgewandter erscheinen, wenn man das Pech gehabt hatte, in einer Stadt groß zu werden, in der das einzige
Restaurant weit und breit das Korner Koffee Kup gewesen war, ein Treffpunkt der Alten und Klatschmäuler. In dem man lieber an die Selbstbedienungstheke ging, wenn man keine Lust hatte, sich an einen der schäbigen Tische zu setzen und drei Äonen zu warten, bis Donna mit ihrer Finstermiene angeschlurft kam, in der bereits geschrieben stand, welch harte Arbeit es für sie bedeutete, ein paar Hamburger den ganzen Weg aus der Küche herbeizutragen. Diane ging zügig weiter, als ob alles in der Welt bes tens im Lot wäre, doch sie spürte, dass ihre Gedanken abschweiften zu jenem mit Unrat übersäten Ort, den sie so verabscheute; es war pure Verschwendung von Energie und Gefühlen. Alle möglichen Dinge schossen ihr durch den Kopf und flitzten zwischen den Wänden

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