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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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ihres Schädels hin und her, Erinnerungsfetzen, bruchstückhafte Vorahnungen, Fetzen von Dingen, von denen sie glaubte, sie nie gesehen zu ha ben und deren Bilder doch da waren. Diese abgehackten Gedanken waren da und ergaben doch alle zusammengenommen keinen Sinn. Zero, zilch, nil, nada - nichts. Sie wollte sich sammeln, hatte jedoch zugleich Angst davor, und deshalb war sie so unruhig. Denk an irgendetwas, nur nicht an hier und jetzt, blende es aus, vergiss, dass du eine flüchtige Ausbrecherin bist, die in New York City durch den Bahnhof Penn Station spaziert, so auf dem Präsentierteller ausgestellt, wie man es überhaupt nur sein kann. Eine Flüchtige. Sie wollte nicht so aussehen und wollte nicht die für eine Flüchtige typische Nervosität zeigen.
    Mel ging schnell, wie alle anderen auch, und Diane musste sich bemühen, mit ihm Schritt zu halten, um ihn nicht in dem Gewühl zu ver lieren. Sie spür te Gail un mittelbar hinter sich.
    Kriminelle und Flüchtige gaben gewisse Schwingungen ab, und einige Cops konnten sich darauf einstellen, als wären sie ein Receiver, dessen Empfang auf KRYM eingestellt war: Kriminellen-Funkwellen. Es musste nicht einmal etwas mit
deinem Blick oder Aussehen zu tun haben, es war einfach irgendetwas an dir, das sagte »Ärger«, und wenn du einem Bullen über den Weg liefst, der auf den Empfang dieser Schwingungen eingestellt war, warst du erledigt. Geliefert. Er würde nicht einmal ein zweites Mal hinsehen müssen. Deshalb gab sich Diane alle Mühe zu denken wie eine Touristin und ihre Angst in das hinterste Stübchen ihres Schädels zu verbannen, aus dem die Angst vielleicht nicht in die Luft hinaussickerte, die sie umgab, und Polizisten anzog. Doch die Anspannung brachte ihre Gedanken durcheinander; sie dachte plötzlich an das Mal, als ihr Bruder Kevin aus einer Flasche eine Feuerwerksrakete in das Stück Wassermelone geschossen hatte, über das sie sich gerade hergemacht hatte. Sie hatte auf dem Randstein gehockt, sich gerade die ersten köstlichen Bissen von der Melone einverleibt, der Saft war ihr das Kinn heruntergelaufen, und sie hatte ihm beim Abfeuern von Feuerwerkskörpern zugesehen, als die Orange-Crush-Flasche, die er als Abschussrampe benutzt hatte, umgefallen war. Die Rakete kam direkt auf sie zugeflogen, hatte diesen leichten, für Raketen typischen Zickzackkurs beschrieben, und bevor Diane sich hatte rühren können, hatte sich das Geschoss auch schon in ihre Wassermelone gebohrt und war explodiert. Rote Fruchtfleischstücke und schwarze Kerne waren meterweit um sie herum in die Luft gespritzt und hatten sie von oben bis unten übersät. Und genau das würde ihr Gehirn gleich tun, wenn sie nicht an irgendeinen sicheren Ort kam, und zwar schnell. Nur dass sie keine Ahnung hatte, wo es sicher war, geschweige denn, wie sie dorthin kommen sollte.
    Jemand rempelte sie heftig von hinten an und riss sie zurück in den Bahnhof Penn Station. Sie wirbelte herum, aber Gail packte sie am Arm, drehte sie wieder nach vorn und stieß sie weiter.
    »Kümmer dich nicht darum!«, sagte Gail. »Geh einfach nur hinter Mel her!«
    Geh unauffällig hinter ihm her. Diane zügelte ihre Wut. Folge Mel unauffällig, setz einen Blick auf, als ob du wüsstest, was du tust, und denk an irgendetwas, nur nicht daran, was du tust. Jetzt war nicht der passende Moment.
    Sie überholten eine alte Frau, die einen mit Plastiktüten vollgestopften und an allen Seiten bis hin zu den Handgriffen vollgehängten Einkaufswagen vor sich herschob. Sie ging in diesem typischen Altfrauen-Watschelgang, ihre Knöchel waren so dick wie ihre Knie, um den Kopf hatte sie ein türkisfarbenes Tuch gebunden, auf ihren sonstigen Habseligkeiten stapelte sich ein Haufen Zeitschriften: alles Martha-Stewart-Living -Exemplare. Diane fing an zu ki chern und senkte den Kopf, damit niemand dachte, sie mache sich über die alte Frau lustig, weil es nicht lustig war und sie es auch nicht lustig fand. Es war einfach nur ihr bescheuerter Polizistenhumor: Lachen als Selbstverteidigung. Sie riss sich zusammen, unterdrückte ihr Kichern und sah auf. Und erblickte zwei New-York-City-Streifenpolizisten. Sie kamen direkt auf sie zu. Die bedrohlichen dunkelblauen Uniformen steuerten unmittelbar auf sie, Gail und Mel zu. Adrenalin schoss in ihre Blutbahnen, ließ ihre Haut bis in die Fingerspitzen kribbeln, und das bloße Weiteratmen kostete sie sämtliche Energie, die sie aufbieten konnte. Sie senkte erneut den Kopf und kicherte wieder

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